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Zwoelf Rosen fuer ein Herz

Titel: Zwoelf Rosen fuer ein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Jenner
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ging ich in die Stadtbücherei, kuschelte mich in der Leseecke in einen Sessel, ganz nah an der Heizung, und las ein »Hanni und Nanni«-Buch. Wunderbar entspannend, diese braven Internatsgeschichten aus dem vorigen Jahrhundert, in denen nie auch nur ein einziger Junge vorkommt. Ja, die hatten ein einfaches und überschaubares Leben! Und gerieten nie in Gefahr, ihr Herz zu verlieren. Oder ihren Hausschlüssel.
    Um halb fünf versuchte ich auf dem Klo der Stadtbücherei, meine Kleider etwas in Ordnung zu bringen. In denen hauste ich ja nun schon seit gestern Morgen, inklusive einer halben Nacht im Fahrradschuppen. Im Nachhinein war es gut, dass ich die meiste Zeit gefroren hatte wie ein frisch geschorenes Schaf, denn so waren sie wenigstens nicht verschwitzt. Trotzdem fühlte ich mich langsam ganz schön unwohl. Als ich dann kurz darauf unterwegs war zum Restaurant, war ich richtig nervös. Das wurde noch schlimmer, weil mir der Kellner einfiel, der mich am Sonntag so seltsam interessiert angesehen hatte. Damals, in meinem früheren Leben, als ich dort mit meinem Vater saß, in meinem neuen Outfit und mit neuer Wimperntusche und neuer Hoffnung im Herzen … Und jetzt schlich ich hier als obergefrustete Witzfigur entlang, in ölfleckigen Klamotten von gestern …
    Zu meiner großen Erleichterung war der Kellner gar nicht da. Und zu meiner noch größeren Erleichterung stellte meine
Mutter keine Fragen wegen meiner fleckigen Kleider. Sie winkte mir nur fröhlich zu, als sie mich hereinkommen sah. Doch als ich mich setzte, sah sie mich plötzlich besorgt an und fragte: »Geht’s dir nicht gut? Du siehst so blass aus.«
    Na, und in diesem Moment fühlte ich es: dieses Prickeln in der Oberlippe und in der Nase. Dieses bekloppte Wibbeln im Unterkiefer. Ich wollte es noch beherrschen. Aber ich konnte nicht mehr. Ich fing total an zu heulen. Meine Mutter zog mich neben sich auf die Sitzbank, nahm mich in den Arm, stellte keine Fragen, sondern reichte mir nur in regelmäßigen Abständen ein neues Taschentuch - wie Pia gestern. Ein Gedanke, der neue Schluchzattacken auslöste, während meine Mutter immer wieder die Kellner abwimmelte, die endlich unsere Bestellung aufnehmen wollten.
    Mir war auf wunderbare Weise alles egal. Was die Leute dachten, was die scheiß Kellner dachten, wie ich aussehe, was meine Mutter gleich für Fragen stellen würde. Als ich mich nach einer Menge vollgerotzter Taschentücher endlich ausgeheult hatte, bestellten wir Spaghetti carbonara, unser Lieblingsessen. Also, eigentlich nur mein Lieblingsessen, denn meine Mutter verkneift sich so was sonst immer. Normalerweise bestellt sie sich einen Salat, der Gesundheit und schlanken Linie wegen, und lauert dann beim Blätterkauen immer neidisch auf die Teller der anderen. Aber heute war alles anders. Denn sie mampfte nun selbst Spaghetti carbonara. Und sie stellte immer noch keine Fragen.
    Nachdem ich die erste halbe Portion im Bauch hatte und sich trotz meines Kummers ein gewisses Wohlgefühl ausbreitete, wenigstens im Magen, hörte ich mich zu meiner Überraschung plötzlich sagen: »Ich hab mich mit Pia zerstritten.« Irgendwie wollte ich wohl meiner Mutter eine nachvollziehbare Erklärung für meinen Heulanfall geben.

    Sie nickte nur. »So was hab ich mir schon gedacht.«
    Â»Ich kann dir aber nicht sagen, warum«, schickte ich schnell hinterher, aus Angst, ich würde jetzt hier den Bekenneranfall kriegen und meiner Mutter die ganze Misere erzählen, samt Dominik und Totalblamage.
    Doch sie meinte nur: »Musst du auch nicht. Wenn du reden willst, hör ich dir gerne zu, aber wenn du nicht reden willst, ist auch o. k. Du wirst selbst wissen, was am besten ist, bist schließlich alt genug.«
    Hatte meine Mutter irgendwelche Pillen gefressen während der Fortbildung? Verständnis-Forte, 500 Milligramm, zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?
    Â»Wenn du möchtest, schreib ich dir für ein paar Tage eine Entschuldigung«, hörte ich sie sagen. »Du siehst wirklich blass aus. Nicht dass du mir krank wirst … Bleib einfach ein paar Tage zu Hause. Kannst du dir ja leisten, bei deinen guten Noten.« Sie lächelte lieb und strich mir über die Wange. Klarer Fall: Meine Mutter hatte Verständnis-Forte geschluckt, aber die volle Dröhnung!

18. Kapitel
    E s dauerte eine

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