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Zwoelf Rosen fuer ein Herz

Titel: Zwoelf Rosen fuer ein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Jenner
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aber auch!«, »Mir geht’s genauso …« oder »Ja, so sind sie nun mal …«. Die Kundinnen jammerten über ihre langweiligen Ehemänner, gaben an mit ihrer letzten Urlaubsreise oder beklagten sich über ihre Kinder. Ein Fall der letzten Sorte war besonders interessant. Eine Mutter beschwerte sich bitter über ihre Tochter, die wohl in meinem Alter ist: »Die hat nichts anderes im Kopf als Klamotten, Jungs und Partys. In der Schule schreibt sie eine Fünf nach der anderen. Sie wird sitzen bleiben! Aber das ist ihr völlig egal. ›Ich brauch kein Abi, ich werd eh Model‹, sagt sie immer. - Ach, ich bin schon völlig runter mit den Nerven!«

    Auch bei dieser Story machte meine Mutter nur die üblichen Bemerkungen, anstatt mich mal als leuchtendes Gegenbeispiel zu erwähnen. Auf der anderen Seite wäre das sicher nicht gut für’s Geschäft, vor Kundinnen mit dem eigenen, fleißigen Kind dickezutun. Ich überlegte trotzdem, wie ich meine Mutter mal bei passender Gelegenheit diskret darauf hinweisen könnte, was sie für ein Glück mit mir hat! Offiziell krankgeschrieben, lernte ich den ganzen Tag, und das vollkommen freiwillig! Ob ihr das überhaupt bewusst war? Oder wünschte sie sich insgeheim so eine Klamotten-Jungsund-Model-Tochter?? Hoffentlich nicht. Vom Zurechtmachen war jedenfalls zwischen uns keine Rede mehr. Immerhin.
    Also bis jetzt hört sich das ja alles so weit ziemlich harmlos an, was ich da in den Tagen nach der Dominik-Katastrophe und meinem Fahrradschuppen-Abenteuer so machte. Aber harmlos war das nur äußerlich. Innerlich ging es mir total dreckig. Der Schmerz um die geplatzten Hoffnungen auf Dominik wummerte die ganze Zeit im Hintergrund, wie Kopfschmerzen bei einer schlimmen Grippe. Immer da, immer quälend. Aber irgendwie gewöhnt man sich dran. Darüber legte sich der Schmerz um meine verlorene beste Freundin. Der war eher wie böse Zahnschmerzen bei einem tiefen Loch im Backenzahn: Auch immer da, aber in ständigen, unberechenbaren Wellen wurde er heftiger, schrill und giftig, dass es mir fast vor den Augen flimmerte. Bei jedem Gedanken an die Schule: Pia. Denn da waren wir ja immer zusammen gewesen. Wenn ich was Interessantes sah oder hörte: Pia. Denn ihr hatte ich so was immer sofort erzählt. Beim Anblick des Poesiealbums: Pia. Denn es war ja von ihrer Großmutter und wir hatten so viel Spaß damit gehabt. Ich hatte das Poesiealbum zwar sofort unter den Kleiderschrank gepfeffert, nachdem ich nach dem Restaurantbesuch mit meiner Mutter nach Hause
gekommen war, aber das half auch nicht. Es schien fast zu leuchten, da unterm Schrank … Kurz: Ich musste ständig an Pia denken. Wie sollte ich nur leben ohne sie?
    Als ich einmal spät abends in der Küche saß, weil ich eh nicht schlafen konnte, und außerdem mal geguckt hatte, was es so im Kühlschrank gab - nichts außer einem Glas Silberzwiebeln, igitt! -, erkannte ich mit einem Mal, warum der Schmerz um Pia heftiger war als der um Dominik. Mit Pia hatte ich ja was verloren, was Wichtiges und Großes, mit Dominik hatte ich nur etwas nicht gekriegt, was ich auch vorher schon nicht gehabt hatte. Also der Verlust, der war bei Pia einfach viel größer. Gigantisch geradezu. Wir waren beste Freundinnen seit … Ich musste überlegen, seit wann. Seit wir uns mit fünf Jahren in einem Schwimmkurs kennengelernt hatten. Die Schwimmlehrerin war total streng und wir hatten alle Schiss vor ihr. Alle außer Pia. Die streckte der Schwimmlehrerin nämlich immer die Zunge raus. Und dann grinste Pia mich an und gab mir von ihren Lakritzschnecken ab. Von da an ging ich gern zum Schwimmkurs. Im Ernst, ohne Pia hätte ich den Kurs garantiert nicht weitergemacht und könnte wohl bis heute nicht schwimmen. So eine ist Pia.
    Und in dem Moment, allein am nächtlichen Küchentisch, vor einem angebrochenen Glas mit fiesen Silberzwiebeln, musste ich mal wieder heulen. Aber nicht um Dominik. Sondern um Pia.
    Das muss unabsichtlich ziemlich laut geworden sein, denn irgendwann stand meine Mutter bei mir und streichelte mir über den Kopf. Keine Fragen. Stattdessen holte sie den vergammelten Rosenstrauß und hielt ihn fragend über den Mülleimer. Was wusste sie darüber? Ach, egal … Ich brauchte nur zu nicken. Sie steckte die Rosen ganz tief hinein. Und dann hielt sie mit genauso fragendem Blick das Poesiealbum

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