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Zwoelf Rosen fuer ein Herz

Titel: Zwoelf Rosen fuer ein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Jenner
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Phänomen bei meinem Vater. Mit Haushalt
hat er’s einfach nicht so und Lebensmittel sind bei ihm meistens etwas angegammelt. Oder gar nicht erst vorhanden. Wie zum Beispiel die belgischen Pralinen, die er mir versprochen hatte. Er hatte sie vergessen. Auch absolut typisch für ihn, denn auch mit Zuverlässigkeit hat er’s nicht so. Nicht nur was Pralinen angeht, auch sonst verspricht er eine Menge und hält nur selten was. Das ist nie böse gemeint, er ist einfach schusselig. Meine Mutter ist damit nicht klargekommen. Aber wenn man, wie ich, seine Macken akzeptiert, kommt man super mit ihm aus. - O. k., ich gebe zu, ein bisschen enttäuscht war ich schon, dass er die Pralinen vergessen hatte …
    Ich hielt mich die ganze Zeit über wacker und vermied alle heiklen Themen wie Pia und Rosen und Schule und Karneval, stattdessen erzählte ich von Frau Gessler und meinem Praktikumsplatz. Und von meinem Antrag bei der Schulverwaltung für einen größeren Fahrradschuppen. Mein Vater war sichtlich beeindruckt, von beidem. Mann, tat das gut!
    Â 
    Es war schon nach acht Uhr abends, als ich mich auf den Heimweg machte. Super, dachte ich, der leidige Freitag ist schon fast rum. Zum Abschied schenkte mir mein Vater dann doch noch Pralinen. Die hatte er noch schnell an der Tankstelle gekauft, als Ersatz für die versprochenen belgischen. Dann hatte er, wie es seine Art ist, alles total nett in einem kleinen, alten Körbchen arrangiert, zusammen mit zwei antiken Porzellantauben. Die waren vielleicht etwas kitschig, aber trotzdem schön und außerdem richtig wertvoll. Das alles verpackte er super penibel in Zeitungspapier und einen Pappkarton und ich radelte wie auf rohen Eiern nach Hause, damit bloß nichts vom Gepäckträger fiel.
    Beim Radeln dachte ich weiter über die Macken meines Vaters nach. Und wie einfach man damit klarkommt, wenn
man sie einfach so hinnimmt. Ein schöner warmer Gedanke. Ich fühlte mich richtig cool und erwachsen. Bis mir einfiel, dass ich ja auch die Macken meiner Mutter einfach so hinnehmen könnte: Schönheitswahn, Schlüsselkontrollzwang, Disziplinneurose. Da bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich bei ihren Macken längst nicht so cool bin. Und das ist ja irgendwie ziemlich ungerecht … Ich nahm mir vor, in Zukunft nachsichtiger zu sein ihr gegenüber. Ja, auch ein schöner und warmer Gedanke!
    Zu Hause kam ich in eine stille und dunkle Wohnung, denn meine Mutter hatte sich schon ins Bett gelegt. Migräne. Ich hatte zum Glück nie Migräne. Manchmal ist es eben auch gut, wenn man seiner schönen Mutter nicht so ähnlich ist. Ich machte ihr noch einen frischen feuchten Lappen für die Stirn und saß dann allein in der Küche. Vor mir stand das Körbchen mit den Tankstellenpralinen und den Porzellantauben. Daneben lag das Poesiealbum. Nein, ich werde es jetzt nicht befragen! Nein, ich habe beschlossen, kein schwachsinniges Poesie-Roulette mehr zu spielen! Ich habe … Ach egal, her mit dem Buch!
    Wieder war ich richtig nervös, als ich mit geschlossenen Augen im Poesiealbum blätterte. Während ich blätterte, ließ ich meine Finger dabei langsam über die Seiten fahren und hoffte, sie würden beim richtigen Spruch ausschlagen wie die Wünschelrute eines Wünschelrutengängers, wenn er auf eine Wasserader trifft.
    Ich fühlte aber nichts. Nur Papier und ab und zu ein eingeklebtes Glanzbildchen, diese Vorläufermodelle von Stickern. Da gab es welche mit und ohne Glitter, festklebende und halb abgefallene, kitschige und extrem kitschige. Ich versuchte zu erfühlen, was auf den Bildern drauf war, denn die sind ja gestanzt und geprägt. Aber keine Chance … Nach einer
halben Ewigkeit nahm ich allen Mut zusammen, legte den Finger irgendwo auf eine Seite, holte tief Luft und öffnete die Augen. Mann, da hatte aber jemand eine Sauklaue gehabt, am 26. April 1954! Es dauerte einen Moment, bis ich’s entziffert hatte:
    Ein Körbchen voll Rosen, zwei Täubchen dazu,
die Liebste von allen bist nur du.
    Meine Kinnlade fiel nach unten, dass sie sicher den Fußboden durchschlagen hätte, wäre sie nicht mit Gelenken an meinem Schädel befestigt gewesen. Denn auf demselben Tisch, nur zwei Zentimeter vom Poesiealbum entfernt, stand ein Körbchen mit zwei Täubchen. Nur die Rosen fehlten. Ich wusste, was ich zu tun hatte.

22. Kapitel
    I ch legte meiner Mutter einen

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