Zwoelf Rosen fuer ein Herz
hätte, wenn er Pias und mein Gesicht jetzt gesehen hätte. Im Paket waren nämlich die Rosenköniginnenkleider, in all ihrer Pracht. Die hatten wir komplett und zu 100 Prozent vergessen! Uns stand derart der Mund offen, dass man uns mit einer Taschenlampe bestimmt bis in den Blinddarm hätte leuchten können.
Doch noch bevor wir unsere Kinnladen wieder in die Waagerechte gebracht hatten, schob meine Mutter uns ins Badezimmer. »Schnuten waschen! Finger waschen! So tolle Kleider fasst man nicht an, wenn Nutella an einem klebt!«
Pia und ich tappten brav ans Waschbecken, wuschen uns besagte Körperteile und tauschten ein paar überforderte Blicke. Denn wir wussten, dass uns eine verdammt schwierige Entscheidung bevorstand. Sollten wir zur Karnevalsfete gehen?
Wir? Nach dem, was vorm Zeichensaal passiert war? Und in diesen Kleidern?
Die Entscheidung wurde dann aber noch eine Weile hinausgezögert, denn es klingelte wieder. Diesmal war es Pias Mutter, die völlig aufgelöst bei uns vor der Tür stand. Total erleichtert, aber auch verdammt sauer. Denn Pia hatte vergessen, sich am Morgen bei ihren Eltern zu melden und durchzugeben, wo sie war. So hatte das Schicksal seinen tragischen Lauf genommen: Um halb zehn hatte Pias Familie gemerkt, dass A) Pia nicht da war, B) keine Nachricht von ihr vorlag, C) ihr Handy zwar auf ihrem Schreibtisch war, sie es aber nicht einschalten konnten, denn keiner kannte den PIN-Code und so kamen sie nicht an die Nummern von Pias Freunden und fanden D) im Telefonbuch auch nicht die Nummer von mir und meiner Mutter, weil die da nicht drinsteht. So waren alle Familienmitglieder panisch ausgeschwärmt, um Pia zu suchen.
Pias Mutter bekam zur Beruhigung von meiner Mutter erst mal einen Cognac und dann telefonierten wir die ausgeschwärmte Familie wieder zusammen, um Entwarnung zu geben. Pias Vater war zu dem Zeitpunkt schon auf einem Polizeirevier, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben â¦
Pia war angemessen geknickt. Und auch ich dachte mir: Auweia, man muss echt aufpassen mit so was. So eine Familie kriegt ja die Vollkrise, wenn man plötzlich verschwunden ist! Ich befürchtete schon, Pias Mutter würde Pia nun zur Strafe mit nach Hause schleppen und alle Aktivitäten für die nächsten drei Jahre absagen. Aber sie war zum Glück cool.
»Mach das nie wieder!«, drohte sie ihr streng. Pia nickte betroffen. Dann umarmte sie Pia innig. »Ich hatte solche Angst um dich!« Pia lächelte ergriffen und auch ich war richtig gerührt. Und dann brüllte Pias Mutter ihrer Tochter ins Ohr: »Du oberschusselige Obertröte!«
Pias Mutter ging und Pia rieb sich schuldbewusst das vom Brüllen schmerzende Ohr.
In dem Moment hörten wir neben uns einen schrillen Schrei. Denn meine Mutter sah im Garderobenspiegel, dass sie die ganze Zeit über einen kolossalen Nutella-Bart zur Schau gestellt hatte.
Ich konnte mir nicht helfen und brach wieder in Lachen aus. Meine Mutter dagegen war diesmal not amused. Ich musste mir schnell Pia schnappen und mich in mein Zimmer verziehen, um nicht auch noch einen Anbrüller zu riskieren. Mütter sind einfach unberechenbar!
So saÃen Pia und ich kurz darauf wieder in meinen Sitzsäcken. Glücklich vereint, aber auch echt überfordert von der Karnevalsfetenfrage.
»Vielleicht â¦Â«, begann ich zögernd, »sind deine Eltern so abgetörnt von deinem Verschwinden letzte Nacht, dass sie dir eh nicht erlauben hinzugehen.« Pia und ich tauschten einen Blick. In dem lag bekloppterweise fast so was wie Hoffnung. Wenn Pia nicht zur Karnevalsfete durfte, wäre die Entscheidung gefallen.
Ein kurzer Anruf bei ihr zu Hause ergab jedoch: »Klar darfst du da hin. Wenn wir organisieren, wie ihr sicher nach Hause kommt, ist das kein Problem.« Umpf. Manchmal sind tolerante Eltern einfach nicht das Richtige.
Pia jammerte: »Ich hasse Entscheidungen! Ich kann mich nicht entscheiden! Deshalb hab ichâs ja auch nicht geschafft, dir das mit den Rosen zu sagen!« Aber ich blieb ganz cool. Und das war auch mal was Neues. Sonst war immer ich am Jammern und Pia blieb cool.
»Wir machen das systematisch«, sagte ich. »Wir gehen Punkt für Punkt und ganz rational unsere Optionen durch.«
Ich wühlte mich also aus dem Sitzsack, um Papier und Stift
zu holen. Pia sah mich mit einem halb beeindruckten, halb irritierten Gesichtsausdruck an. »Du solltest echt Jura
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