Zwoelf Rosen fuer ein Herz
kupferbraune?«, fragte Pia.
»Ja, aber die hat nicht mehr genug Dioptrien. Soll ich da als halber Blindfisch rumlaufen?« Ich war immer noch sehr zickig vor Stress.
»Ist vielleicht gar nicht so schlecht, wenn du nicht die perfekte Fernsicht hast«, meinte meine Mutter.
»Doch, das ist schlecht!«, motzte ich. Aber na gut, sollten sie doch selber sehen, dass meine alte, kupferbraune Brille genauso bescheuert â¦
Ups. Die sah eindeutig besser aus. Und der Unterschied in der Sehstärke war auch nicht groÃ. Erst ab fünf bis sechs Metern konnte ich nicht mehr alles ganz scharf sehen. Dafür war die Brille aber deutlich leichter. Ich tat so, als würde ich mich grummelnd überreden lassen, war aber in Wirklichkeit ganz angetan. Die sah echt besser aus, die braune Brille mit dem matten, schmalen Metallrahmen!
Die Karnevalsfete begann offiziell um 18 Uhr, aber meine Mutter riet uns, nicht vor 19 Uhr dort aufzutauchen. »Lasst die Kleinen aus der Unterstufe die Sache vorwärmen, und wenn es schon gut summt und brummt, dann kommt ihr.« Auch sonst hatte sie viele nützliche Tipps: Aufrecht gehen! In schulterfreien Kleidern nie den Rücken krumm machen! Wörtlich: »Ihr seid Königinnen, also bewegt euch auch wie Königinnen!« Zur Sicherheit übten wir das vor ihrem Schlafzimmerspiegel. Danach suchte meine Mutter aus ihrem riesigen Fundus zwei passende, groÃe, breite und wunderbar weiche Schals aus, genannt »Pashmina«, damit wir sie als Jackenersatz um unsere bloÃen Schultern legen konnten. Wirklich schick, das muss man sagen! Und zum Schluss gab sie uns noch die kleinen, farblich jeweils aufs Kleid abgestimmten RosensträuÃe, die das Kostüm vervollständigten. Die hatte sie beim Blumenhändler binden lassen, als wir im Kaufhaus waren. Also meine Mutter denkt wirklich an alles! In einem Anfall von Ãberschwänglichkeit gab ich ihr einen dankbaren Kuss. Sie reagierte genauso komisch wie beim Lob für ihre Schminkkunst. Wirklich, meine Mutter ist nicht der sentimentale Typ.
Endlich standen Pia und ich um Viertel vor sieben bei uns im Flur, fertig zum Abmarsch. »Jetzt gehen wir alle noch mal aufs Klo und dann reiten wir los«, zitierte meine Mutter den Bösewicht Santa Maria aus »Der Schuh des Manitu«. Wir mussten lachen.
Und dann gingâs wirklich los. Mit dem Taxi, denn wir haben kein Auto und im Rosenköniginnenkostüm kann man beim besten Willen nicht Fahrrad fahren. Zum Glück haben wir kein Auto, kann ich im Nachhinein sagen, denn so blöd das jetzt klingen mag, es verursachte einiges Aufsehen vor unserer Schule, als unser Taxi vorfuhr, der Fahrer ausstieg und mir und Pia die Tür aufhielt. Meine Mutter, die mitgekommen war, um das Taxi zu bezahlen und uns ein paar Tipps zu geben, wie wir nachher wieder mit dem Taxi nach Hause kämen, blieb vorne sitzen. Durch die dunklen Scheiben des Taxis konnte man sie kaum sehen. Es wirkte also, als wären wir allein vorgefahren in unserer elfenbeinfarbenen Limousine.
Ich machte mir fast in die Hose, als ich unter den Augen zahlloser Schüler, Eltern und Lehrer aus dem Taxi stieg. Pia verhedderte sich im langen Rock ihres Kostüms und konnte sich nur im letzten Moment noch fangen. Aber dann standen wir auf dem Bürgersteig und alle glotzten uns an wie das achte Weltwunder. Der Taxifahrer grüÃte und fuhr davon. Ich muss zugeben, das hatte was.
Wir schritten auf den Eingang zu. Aus der Aula erklang Karnevalsmusik und wir rochen den Duft frischer Berliner. Zum ersten Mal überkam mich eine Welle von Partystimmung. Ich bekam richtig Lust auf Tanzen und Luftballons und Luftschlangen und so drehte ich mich zu Pia, um sie fröhlich anzulächeln.
Das hätte ich besser nicht getan, denn hinter Pia sah ich ein Auto. Und aus dem Auto stieg - Nina. In einem wirklich sensationellen Piratenbrautkostüm. Dahinter Ninas Mutter, die wie eine Dienerin noch letzte Hand an Ninas Kostüm legte. Das wäre an sich alles gar nicht so schlimm gewesen. Klar ist Nina toll, klar hat sie ein Wahnsinnskostüm. Aber auf dem Bürgersteig wartete ⦠Dominik. Kreisch! Kreisch!! Kreisch!!! In
einem genau zu Ninas Outfit passenden Piratenkostüm. Nina schritt auf ihn zu, scheuchte dabei noch schnell ihre Mutter weg und hakte sich bei Dominik ein. Die beiden gingen aufs Schultor zu wie ein Königspaar. Es stimmte also doch: Nina und Dominik. Mir sackten die
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