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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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etwas zu glauben.» Er hat eine einzigartige Begabung, die Dinge so zu formulieren, dass sie genau ins Schwarze treffen. Ich verstehe nur zu gut, dass er «Pfarrer» genannt wird, denn es scheint, als ob er aus einer höheren Weisheit heraus argumentiert. Ob er jemals wütend werden kann? Oder ist es tatsächlich möglich, vollkommene Gelassenheit zu erlangen? Er redet lange darüber, wie wichtig es ist, dass ich mich auf die Suche nach Gott konzentriere, indem ich versuche zu beten, auch wenn ich denke, dass es nichts nützt. Ich nicke, bin aber nicht ganz überzeugt davon, da ich weiß, dass ich mich nicht überwinden kann, einfach draufloszuplappern und von meinen Sorgen zu erzählen und mir vorzugaukeln, dass jemand zuhört.
    «Ich verstehe gut, dass du wütend auf Gott bist», sagt Geir und zeigt auf den ersten Eintrag in meiner Verdrussliste, «aber wie kannst du auf jemanden wütend sein, von dem du nicht wirklich glaubst, dass er existiert?» Er gibt keine Antwort, und ich überlege mir, was ich eigentlich damit gemeint habe. Habe ich einen Augenblick an ihn geglaubt? Sollte man die Momente ausdehnen, die das Dasein einer höheren Macht manifestieren, sodass sie am Ende einen ganzen Tag überdauern?
    «Gratuliere. Du bist fertig mit dem vierten Schritt.» Geir umarmt mich zum Abschied und klopft mir eifrig auf den Rücken, was mir das Gefühl vermittelt, dass er mit mir zufrieden ist. Erneut muss ich an meinen Vater denken. Hätte er mir doch einmal so aufmunternd auf den Rücken geklopft, als ob er sagen wollte: Nun hast du was Großartiges geleistet, mein Sohn. Bevor er geht, gibt Geir mir ein neues Formular.
    «Und nun der fünfte Schritt, mein Lieber. Nun wirst du dir ein Schreibheft besorgen und die schmerzlichen Punkte in deinem Leben aufschreiben. Was hast du dazu beigetragen, dass sich Schlechtes noch verschlimmert hat? Was jetzt zählt, ist Ehrlichkeit.» Ich nehme das Formular und spüre, wie mein Herz sich verkrampft. Ich habe keine Lust, mich mit dieser Aufgabe zu beschäftigen.
    Auf der Mailbox ist immer noch keine Nachricht. Ich lege mich auf das Sofa und knabbere Popcorn, während ich mir einen Spielfilm anschaue. Als ich schlafen gehe, riecht die Bettwäsche nach Iðunn.

[zur Inhaltsübersicht]
Fünftes Kapitel Geständnis
    Iðunn ruft am Montagmorgen Punkt acht Uhr an, obwohl sie weiß, dass ich gerne etwas länger im Bett liege und um die Mittagszeit am besten übersetzen kann. Sie legt Wert darauf, unsere Beziehung auf einem rein arbeitstechnischen Niveau zu halten. Sie spricht schnell und sieht anscheinend keinen Grund dafür, über das zu reden, was am Samstag zwischen uns passiert ist.
    «Ich werde Njörður treffen, der den Tod des anderen AA -Mitglieds untersucht. Willst du mitkommen?» Ich bin irritiert und weiß, dass es für mein Seelenleben das Beste wäre, jede weitere Mitarbeit an dem Fall abzulehnen und Iðunn alles Gute bei den Ermittlungen zu wünschen. Doch die Neugier überwiegt, und tief in meinem Inneren glüht noch ein kleiner Funken Hoffnung, dass sich der Samstagabend wiederholen könnte.
    «Ich ziehe mich an und bin in fünf Minuten fertig», sage ich und springe auf. Ich hüpfe kurz unter die Dusche, verzichte aufs Rasieren, ziehe mir dasselbe wie gestern an und versuche dran zu denken, dass ich später noch Wäsche waschen muss. Als Iðunn vor dem Haus hupt, nehme ich die Treppe in vier großen Sätzen.
    «Hi», sagt sie und fährt los, ohne mich anzuschauen.
    «Hi.» Ich versuche ebenfalls, normal zu klingen. «Was gibt es Neues?»
    «Alles prima», antwortet sie. «Njörður hat vorhin angerufen und gesagt, dass er neue Informationen hat.»
     
    Njörður ist einer dieser Männer, die mich an einen Troll erinnern. Er ist ungewöhnlich groß, stämmig, sogar seine Finger sind doppelt so dick wie meine. An seinem Hals sind die Sehnen zu sehen, aber ansonsten ist er gut gepolstert, wodurch er fleischig wirkt, obwohl er nicht dick ist. Er braucht mit Sicherheit nur zwei Wochen Krafttraining, um wie ein Anabolikaprotz auszusehen. Er ist hellhäutig und hat einen rötlichen Haarschopf, der dem Aussehen nach nicht einfach zu bändigen ist. Er drückt Iðunn fest an sich, sodass sie einen Augenblick in seiner Körpermasse verschwindet, dann gibt er mir die Hand und schüttelt sie mit festem Druck.
    «Njörður», sagt er. Seine hellblauen Augen scheinen mich zu durchbohren. Was Iðunn ihm wohl über mich erzählt hat?
    «Magni», sage ich und versuche, freundschaftlich zu

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