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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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ich und bemerke sofort, dass ich einen wunden Punkt getroffen habe.
    «Tja, so weit bin ich in meinen Ermittlungen noch nicht gekommen, aber es scheint wohl bei solchen Menschen die logische Konsequenz zu sein, Alkoholmissbrauch im Elternhaus und dadurch zwangsläufig die Vernachlässigung der Kinder, dann wird der Junge zum Kleinkriminellen und landet schließlich beim Jugendamt. Es ist unglaublich, was Alkoholiker alles um sich herum zerstören. Meiner Meinung nach sollten diese Kreaturen bestraft werden, weil sie ihre Kinder zerstören, anstatt sie in eine Luxussuite in Vogur zu stecken.» Ich stehe auf, verlasse das Büro, und mir ist es ziemlich egal, ob dieser Satz auf mich abzielte oder nicht. Ich habe plötzlich genug von diesem riesenhaften Kerl mit seiner riesenhaften Stimme und seiner riesenhaften Moral. Auch Iðunn kann mir gestohlen bleiben, die in seinem Büro sitzt und sich benimmt, als ob sie mich kaum kennen würde.
    «Magni!», ruft sie mir hinterher. Ich warte am Ausgang auf sie. «Sorry, er ist einfach so», sagt sie außer Atem.
    «Du brauchst ihn nicht in Schutz zu nehmen, aber ich entscheide selber, ob ich mir so was anhören muss.» Wie gut es mir gelingt, Ruhe zu bewahren. Am liebsten würde ich sie schütteln und fragen, ob das auch ihre Meinung ist, ob mein Alkoholismus ihrer Meinung nach keine Krankheit, sondern eine bestrafenswerte Feigheit ist.
    «Ich brauche dich, Magni», fleht sie mich an, greift nach meinem Oberarm und drückt ihn fest. «Wir brauchen jemanden, der das Ganze aus dem Blickwinkel eines AA -Mitglieds sieht.» Ich weiß nicht, ob es die Art ist, wie sie meinen Namen ausspricht, oder die Berührung, die ich durch die Jacke und das Hemd hindurch spüre, aber die Wut verschwindet, und mir wird warm ums Herz, wie es mir in ihrer Nähe so oft passiert.
    «Okay», sage ich leise. «Besorg mir eine Kopie des Heftes.»
    «Kein Problem.» Sie lächelt mich dankbar an.
    Auf dem Nachhauseweg überlege ich mir immer noch, warum sie mich unbedingt bei den Ermittlungen dabeihaben will. Bisher konnte ich doch herzlich wenig dazu beitragen. Da blitzt der kleine Hoffnungsschimmer wieder auf, dass sie den Fall vielleicht als Ausrede benutzt, um mich zu treffen. Doch dann sehe ich ihr Gesicht vor mir, als sie am Samstagabend ging, und jegliche Hoffnung erlischt.
     
    Es ist noch nicht zehn Uhr, als ich wieder zu Hause bin, und ich könnte ins Schwimmbad gehen. Doch die Faulheit siegt, und ich lege mich ins Bett und stelle den Wecker auf halb zwölf. Es dauert einen Moment, bis ich einschlafe, aber dann träume ich, dass ich ein Buch per Post zugeschickt bekomme, in dem auf jeder Seite ein Foto von einer neuen Leiche abgebildet ist, ich blättere vor und zurück, und mir wird immer mulmiger. Beim Klingeln des Weckers fahre ich verschwitzt hoch, und es dauert einen Moment, bis mir klarwird, dass das bloß ein Traum war. Selbst nach einer Tasse Kaffee fällt es mir noch schwer, das Gefühl des Traumes abzuschütteln. Vielleicht ist es ja ein Vorzeichen. Vielleicht möchte mein Unterbewusstsein mir sagen, dass die Lösung in einem Buch zu finden ist, und ich muss an das Notizheft von Bjarni Jóhannes denken, der dort seine Gefühle und Überlegungen im Zusammenhang mit dem fünften Schritt aufgeschrieben hat. Ich werde es umgehend lesen, sobald ich eine Kopie habe.
    Ich gebe Knoblauchbutter, Käse und Gemüse auf eine Tortilla und schiebe sie einen Moment in die Mikrowelle. Zum Essen setze ich mich an den Computer und mache mich an die Übersetzung von «Das Rätsel der Liebe», von der ich die ersten zehn Seiten fertig habe. Im Gegensatz zu früher lese ich die Romane nicht mehr vorher.
    Später am Nachmittag, als ich den Übersetzungskoller kriege und mich vom Rechner erhebe, habe ich zwanzig Seiten geschafft. Dieses Mal bin ich schnell wieder reingekommen, sonst brauche ich oft Tage, wenn ich eine Pause eingelegt habe. Ich strecke mich und schaue in den Kühlschrank. Zeit, einkaufen zu gehen. Vorher stopfe ich noch Wäsche in die Waschmaschine und schalte sie auf dreißig Grad. Im Supermarkt bemerke ich, wie wenig Lebensmittel ich brauche, und der triste Gedanke überfällt mich, dass ich vielleicht für immer nur für mich alleine kochen werde. Ich rufe Egill an und lade ihn zum Essen ein, er kommt gerne. Das hellt meine Stimmung auf, da Egill über einen gesunden Appetit verfügt. Während ich an der Kasse in der Schlange stehe, fällt mein Blick auf die Titelseite der Zeitung über

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