Zwoelf Schritte
Bjarni Jóhannes’ Tod. Die Überschrift lautet:
Geheimnisvoller Tod?
Ich kaufe die Zeitung und gehe bepackt mit zwei Tüten nach Hause. Es beginnt zu schneien. Die großen, unregelmäßigen Schneeflocken schweben langsam und ehrwürdig zur Erde, als ob sie wüssten, dass sie bei der Berührung mit der Straße schmelzen und ihr Leben in fester Form beenden. Ich lecke mir die Schneeflocken vom Gesicht und verspüre eine wundersame Heiterkeit, ein Gefühl, das mich an meine Kindheit erinnert, als ich mit dem Schnee immer große Erwartungen verknüpfte.
Der Zeitungsartikel gibt nicht viel her, und die wenigen Fakten in Zusammenhang mit Bjarni Jóhannes’ Tod kenne ich schon. Ich lege die Zeitung enttäuscht zur Seite und fange mit dem Kochen an. Letztes Mal habe ich für Egill auch Lasagne gemacht, es ist sein Lieblingsgericht. Damals lebten Iðunn und ich noch zusammen, und nachdem Iðunn sich schlafen gelegt hatte, kappten Egill und ich die dritte Flasche Rotwein. Später wünschte ich ihm eine gute Nacht, und Egill machte sich auf den Weg in die Stadt, um weiterzufeiern. Ich staune immer noch über seine Ausdauer.
Ich hacke Zwiebeln und Knoblauch klein, während das Fleisch in der Pfanne braun wird, und gebe die Dosentomaten zusammen mit einer Karotte in den Mixer, mit einer Karotte schmeckt die rote Sauce etwas süßer. Dann mache ich mich an die Béchamelsauce, schmecke sie ab und verleihe ihr mit meiner Geheimwaffe den letzten Schliff: einem Esslöffel Dijonsenf. Schließlich schichte ich die Zutaten in eine Auflaufform, sodass ich sie nur noch in den Ofen schieben muss, sobald Egill da ist. Beim Kochen konnte ich mich schon immer sehr gut entspannen und bin froh, dass dieses Gefühl nicht verschwunden ist, auch wenn ich dabei nicht länger an einem Weinglas nippe. Während ich auf Egill warte, hänge ich die Wäsche auf, rasiere mich, lese den Rest der Zeitung und trinke ein Glas Cola. Egill hat sich offensichtlich eine früher nie gekannte Pünktlichkeit angewöhnt, denn er klingelt Punkt halb sieben stürmisch an der Tür und ist frisch und munter. Er wusste schon immer, wie man gute Stimmung verbreitet, doch nun ist seine Munterkeit aufrichtiger, seine Augen sind klar, und er hört zu, wenn man ihm etwas erzählt.
Ich bereite den Salat zu und reiche Egill ein Glas Cola, er setzt sich an den Küchentisch und blättert in der Zeitung. Den Salatkopf zerteile ich mit den Fingern, das gefällt mir besser, als ihn zu schneiden, und dünste kurz rote Peperoni und Frühlingszwiebeln an. Anschließend gebe ich Knoblauchzehen, Senf, Balsamico, Agavesirup und schwarzen Pfeffer in eine Schüssel und vermische alles.
«Das wäre ein seltsames Karma, wenn der Mörder ermordet worden ist», sagt Egill. Ich unterbreche meine Salatmeditation und schaue auf die Zeitung. Er liest den Artikel über den Tod von Bjarni Jóhannes.
«Wie bitte?», wundere ich mich.
«Hat der Typ nicht ein Kind getötet? Erinnerst du dich?»
«Im Ernst? Ist das lange her?»
«Ja, er ist etwa so alt wie ich. Das war damals, als ich in die Realschule kam. Zum Teufel noch mal, das hat er verdient, der Scheißkerl, einfach ein Kind zu töten.» Egill blättert weiter zum Sportteil, er murmelt etwas, aber ich verstehe kein Wort, weil mir der Kopf schwirrt.
«Entschuldige, Egill, ich muss kurz telefonieren.» Ich gehe in den Flur und rufe Iðunn an.
«Hast du gewusst, dass Bjarni Jóhannes ein Mörder war?», sage ich, als sie den Hörer abnimmt. Sie schweigt einen Moment und antwortet dann:
«Nein.» Sie wirkt ruhig.
«Egill hat erzählt, dass Bjarni Jóhannes den Tod eines Kindes verschuldet hat. Kann er deswegen im Heim gewesen sein?»
«Ja, das ist möglich. Es ist immer ein Problem, was man mit Jugendlichen machen soll, wenn sie straffällig werden.»
«Hat Njörður nichts davon erwähnt? Der Mann hat das ganz sicher in sein Bekenntnisheft geschrieben», sage ich eifrig.
«Ich habe die Kopie im Auto», erwidert Iðunn. «Ich bringe sie dir gleich vorbei.» Ich lege auf und gehe zu Egill in die Küche zurück.
«Iðunn wird gleich kommen, um mir ein paar Unterlagen vorbeizubringen.» Ich schaue weg, als Egill mich neugierig mustert.
«Rauft ihr euch etwa wieder zusammen?»
«Nein, das wohl kaum», sage ich und widme mich wieder dem Salat.
«Du würdest aber schon gerne?» Ich spüre in meinem Nacken, dass Egill mich immer noch anschaut.
«Ja, eigentlich schon», antworte ich leise und bekomme einen dicken Kloß im
Weitere Kostenlose Bücher