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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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dass er etwas genommen hat, stelle aber bei näherem Hinsehen erleichtert fest, dass er weder betrunken noch auf Speed ist. Er spricht darüber, dass er Verschiedenes korrigieren müsse, und vermischt dies mit irgendeinem Unsinn, dass er zum Racheengel auserkoren sei, aber dagegen ankämpfen wolle. Damit dreht er sich endlos im Kreis, bis seine Redezeit vorbei ist. Ich betrachte forschend Geirs Gesichtsausdruck, aber er scheint zufrieden zu sein, und ich lehne mich zu Fríða und flüstere:
    «Ist er immer so?»
    «Egill ist immer ein bisschen kryptisch», flüstert sie mir lächelnd zu. Ich habe natürlich noch nie Egill auf einem Meeting reden hören, und es kann gut sein, dass das eben seine Art ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt seinen Ausführungen die Arbeit mit den Schritten zugrunde, seine Fehler wiedergutzumachen. Das mit dem Racheengel lässt mir jedoch keine Ruhe, und als das Meeting vorbei ist, will ich unbedingt mit Egill sprechen, und versuche, den Ausgang zu erreichen. Es sind zweifellos über hundert Leute auf dem Meeting, und ich kann in diesem Gedränge nur schwer all den Umarmungen entrinnen.
    Am Ende bin ich direkt froh, als mir Geir seinen Arm um die Schultern legt.
    «Sollen wir nicht allmählich den fünften Schritt abschließen?», fragt er, und ich nicke und werde von der Menschenmenge weitergetragen.
    «Ich rufe dich an!», rufe ich. Er winkt zurück, während ich geradewegs in Njörðurs trollartigen Armen lande. Er drückt mich unangenehm fest, sodass meine Füße ein wenig vom Boden abheben.
    «Danke für das Meeting. Macht ihr das nicht so nach dem Gottesdienst?» In seiner Stimme liegt Ironie und auf dem Gesicht ein höhnisches Lächeln. Er sieht aus wie der Inbegriff eines bösen Buben, nur in Übergröße. Meine Wut auf ihn wächst wieder, aber ich bin zu sehr mit meinem Bruder beschäftigt, um auch nur ein Wort an ihn zu verschwenden, und lasse mich von der Menge auf die Straße spülen.
    «Hey, Bruderherz! What’s up, wie geht’s?», ruft Egill und zieht mich kurz an sich, als ich ihn draußen auf dem Gehsteig treffe.
    «Gut, und dir?»
    «Bei mir geht’s voll ab, Mann!», antwortet er munter und schlägt einem seiner Kumpel auf den Rücken. Eine Clique junger Männer schart sich um ihn, die sich Zigaretten anzünden und zusammen über etwas lachen, das mir entgangen ist.
    «Du, wir sehen uns.» Er bemerkt meinen Abschiedsgruß gar nicht. Ich laufe hinüber zu Fríða, die mit einem Grüppchen die Hverfisgata hinuntergeht.
    «Danke für das Meeting», sage ich und reiche ihr die Hand.
    «Kommst du mit auf einen Kaffee?», fragt sie.
    «Nein, aber danke. Ich muss einen wichtigen Anruf tätigen und habe offensichtlich mein Handy zu Hause vergessen.»
    «Okay, wie du meinst.» Sie winkt lächelnd. «Du weißt, wo wir sind, falls du es dir anders überlegst.»
    Ich winke zurück und eile den Hügel hinauf. Zu Hause angekommen, rufe ich mein Handy an, aber es scheint nicht in der Wohnung zu sein. Es spielt keine Rolle, denn ich weiß Iðunns Nummer auswendig und rufe sie vom Festnetz aus an.
    «Warum war Njörður auf dem Meeting?», frage ich sie, sowie sie abhebt.
    «Selber hallo!», sagt sie in übertrieben fröhlichem Ton. Das genügt mir als Antwort, denn wenn sie nichts davon gewusst hätte, wäre sie wohl überrascht gewesen und hätte nachgefragt.
    «Ich nehme an, dass du mich nicht mehr brauchst, nachdem er den Job übernommen hat», sage ich beleidigt.
    «Stell dich nicht so an, Magni, es haben sich schlicht und ergreifend die Voraussetzungen geändert. Njörður und ich wurden zu einem Team zusammengelegt, weil vieles darauf hinweist, dass es eine Verbindung zwischen dem Tod von Jón Ágúst und Bjarni Jóhannes gibt.»
    «Ach so? Was gibt es denn Neues?» Neugier mischt sich in meinen Ärger, der sogleich nachlässt.
    «Auf Bjarnis Nacken fanden sich Spuren von einem Schlag, der mit einem gepolsterten Gegenstand ausgeführt wurde. Sie haben also beide auf dieselbe Weise einen Schlag auf den Kopf bekommen. Weil der Körper aufgedunsen war, konnte man das nicht sofort erkennen. Die Badewanne, in der er lag, besaß einen permanenten Heißwasserdurchlauf.»
    «Okay.» Beim Gedanken an die verweste, aufgeblähte Leiche überkommt mich ein Brechreiz. «Aber wie wollen wir es dann machen? Beabsichtigt Njörður, die Meetings zu besuchen?» Ich bin wieder zunehmend genervt.
    «Ab jetzt müssen wir wohl einfach improvisieren.» Iðunn will mich trotzdem weiterhin dabeihaben,

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