Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
Vom Netzwerk:
kannte und wann ich sie zuletzt gesehen habe. Ich habe eine große Kanne Kaffee aufgegossen, ein Schälchen mit Kochschokolade und Rosinen gefüllt und fülle es noch einmal, denn ich esse selbst alles auf. Es geht bereits auf halb zwölf zu, und ich warte inzwischen ungeduldig darauf, dass sie eintreffen. Obgleich ich Angst vor dem Verhör habe, freue ich mich, dass jemand vorbeikommt. Als es endlich klingelt, drücke ich auf den Türöffner, ohne die Gegensprechanlage zu benutzen. Sie brauchen lange für den Weg nach oben, und ein Keuchen ist durch das Treppenhaus zu hören, warum, wird mir klar, als Njörður und Megan als Erste auf dem Treppenabsatz auftauchen. Gott sei Dank haben sie niemand vorbeigeschickt, den ich nicht kenne, aber ich bin auch etwas enttäuscht, dass Iðunn nicht selbst mitgekommen ist. Ich hätte ihr so gerne alles erklärt. Njörður macht ein finsteres Gesicht, und seine apfelsinenfarbenen Haarsträhnen kleben am Kopf, anstatt wie sonst in alle Richtungen abzustehen. Er wirkt müde. Megan hingegen scheint sehr munter zu sein. Sie begrüßt mich wie einen alten Freund mit einer festen Umarmung und sagt auf ihre amerikanische Art, wie großartig es sei, mich zu sehen. Die Nachhut bildet ein dünner Mann, der offensichtlich die Aufgabe erhalten hat, das Aufnahmegerät und einen dicken Aktendeckel zu tragen. Ich bitte sie ins Wohnzimmer und stelle den Kaffee und das Schokoladenschälchen vor sie auf den Tisch. Njörður und Megan schenken sich Kaffee ein, aber der schlanke Polizist lehnt dankend ab. Er findet es vielleicht sicherer, von diesem Mann, der in einer grauenhaften Mordsache zum Kreis der Verdächtigen gehört, nichts anzunehmen.
    «Ich habe hier die Notizen von Iðunn und wollte gerne den Ablauf noch einmal durchgehen», sagt Njörður ernst, schaltet das Aufnahmegerät ein und leiert die Namen der Anwesenden und die Zeit herunter. «Wann und wo hast du Fríða Guðmundsdóttir zuerst getroffen?»
    Ich stutze, als ich zum ersten Mal ihren Vatersnamen höre. Ich habe keine Zeitung gelesen und keine Nachrichten angeschaut und kenne somit keine Details des Falles.
    «Auf dem Meeting, am selben Tag, als ich aus dem Entzug kam, am Montag, den fünfundzwanzigsten Februar. Ich ging mit ihr und einer Gruppe von Leuten aus dem Meeting ins Café.»
    «Wann hast du sie dann wieder getroffen?» Njörður späht in die Notizen.
    «In der Bäckerei auf dem Laugavegur. Wir unterhielten uns ein bisschen, und sie sagte mir, wo gute Meetings stattfinden würden.»
    «Und ihr habt euch dann auf diesen Meetings getroffen?»
    «Ja, zufällig. Mir gefielen diese Meetings gut, mein Bruder besucht sie auch, ich bin mit ihm hingegangen, und einmal warst du da auch, erinnerst du dich? Da, meine ich, habe ich neben Fríða gesessen.»
    «Wann habt ihr angefangen, miteinander zu schlafen?»
    «Wir kamen gar nicht dazu, mit irgendetwas anzufangen, denn wir haben nur ein einziges Mal miteinander geschlafen, bevor … das passierte.»
    «Hast du an eine Fortsetzung eurer Beziehung geglaubt?» Njörður schaut mich aufmerksam an, während Megan sich ein paar Rosinen in den Mund steckt. Ich überlege und weiß nicht recht, was ich antworten soll.
    «Ja, meinetwegen hätte sie gerne weitergehen dürfen, aber ich bin nicht sicher, dass sie es wollte.»
    «Warum?»
    «Weil sie sagte, dass es ein Fehler gewesen sei, und auch aufgrund dessen, was sie an die Wand geschrieben und Iðunn mir vorgelesen hat. Dass sie nicht sicher gewesen sei, dass sie mit mir schlafen wollte.»
    «Gab es vorher oder währenddessen Anzeichen dafür, dass sie nicht zum Geschlechtsverkehr geneigt war?» Njörðurs Wortwahl geht mir auf die Nerven, genauso wie die darin implizierte Anspielung.
    «Wenn du damit zu verstehen geben willst, dass ich sie gezwungen hätte, dann bist du völlig auf dem Holzweg. Ihre Bereitschaft vorher und währenddessen war ganz eindeutig, aber danach haben sie wohl Zweifel beschlichen. Ich konnte das vorher nicht ahnen. Hinterher bekam ich selbst gewisse Bedenken.»
    «Warum kamen dir diese Bedenken?»
    «Darüber will ich nicht sprechen.» Ich denke an Iðunn und das Schuldgefühl, das ich allerdings in Wirklichkeit auch schon vorher hatte. «Das ist persönlich.»
    «Okay», sagt Njörður und blättert eine Seite seiner Notizen um. «Wann genau hast du Fríða zuletzt gesehen?»
    «Am Mittwoch vor einer knappen Woche. Nachdem wir Sex gehabt hatten, bin ich irgendwann am frühen Abend gegangen. Es muss so um halb

Weitere Kostenlose Bücher