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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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hörte ich, wie Iðunn unter die Dusche ging, und ich bin ins Bad und habe gespannt.»
    «Und?» Ich würde am liebsten losplatzen.
    «Na ja, ich kriegte einen Ständer und …»
    «Komm schon, Egill! Du warst dreizehn! Das ist deine Privatsache, Mann, du brauchst mir das nicht zu sagen und dich schon gar nicht dafür zu entschuldigen. Das macht mir nichts aus.»
    «Doch, das war respektlos dir gegenüber. Du sollst nicht deines Nächsten Weib begehren und so weiter und erst recht nicht das deines Bruders.» Ich würde ihn am liebsten umarmen, aber sehe, dass ihm mehr auf der Seele liegt. Sein Gesicht ist schweißüberströmt.
    «Willst du nicht deine Jacke ausziehen, Egill? Dir ist ja total warm.»
    «Nein.» Er schaut beschämt auf die Tischplatte. «Du sollst wissen, dass mir das wirklich sehr, sehr leidtut.»
    «Schon gut, Egill, ich vergebe dir von ganzem Herzen. In meinen Augen ist das überhaupt kein ernsthaftes Problem. Ich habe immer gewusst, dass du ein bisschen in Iðunn verschossen bist», sage ich lächelnd und hoffe, dass wir mit dem Sündenregister schnell durch sind und glücklich zu einem Abschluss kommen. Ich konnte es nie gut ertragen, meinen kleinen Bruder leiden zu sehen.
    «Ich will mich auch bei dir entschuldigen, dass ich oft, sehr oft etwas von deinem Alkohol genommen und mit Wasser und allem Möglichen aufgefüllt habe.» Ich lache auf.
    «Das habe ich gewusst, lieber Egill. Einmal haben Iðunn und ich jeder drei Wodkacocktails getrunken, ohne auch nur die geringste Wirkung zu spüren, und da hab ich geschnallt, dass da der Wurm drin ist. Oder besser gesagt, Wasser im Wodka!» Ich finde das komisch, aber Egill verzieht keine Miene. Dann wird er auf einmal ganz seltsam und sagt:
    «Teufel, Mann», und die Tränen spritzen aus seinen Augen. Egill weinte nie wie normale Kinder, er hat keinen Tränenkanal, sodass die Tränen, die eigentlich in die Nase laufen sollten, aus seinen Augen spritzen. Als er noch ein Steppke war, musste ich deshalb manchmal über ihn lachen, wenn er weinte, weil es so putzig aussah, obwohl ich doch Mitleid mit ihm hatte. Ich reiche ihm die Serviette, die unter der Kaffeetasse liegt.
    «Und ich habe einige Mal Geld aus deiner Börse gestohlen», stöhnt er und wischt sich die Tränen ab.
    «Das weiß ich auch, mein Freund, das war die Krankheit. Du hättest mich niemals in nüchternem Zustand bestohlen.»
    «Aber am schlimmsten ist für mich, dass ich Großvaters Uhr, die du bekommen solltest, gegen Dope eingetauscht habe.» Er stützt die Ellenbogen auf den Tisch und vergräbt das Gesicht in den Händen.
    «Ja, das tat mir weh, Egill, wie du weißt, aber ich habe dir das längst verziehen.»
    «Ich möchte diese Vergehen wiedergutmachen, wenn ich kann. Ich könnte dir zum Beispiel Geld überweisen. Sozusagen, um dir das gestohlene Geld wieder zurückzuzahlen.»
    «Nein, Egill», sage ich und suche nach Worten, die ihn nicht verletzen. «Was du am ehesten tun könntest, um mich für die Sorgen, die du mir bereitet hast, zu entschädigen, ist, weiterhin Ordnung in deinem Leben zu halten und dich einzurichten. Und dazu brauchst du dein Geld selbst.»
    «Danke, aber ich muss etwas Richtiges tun, um das, was ich dir angetan habe, abzugelten.» Ich schaue den großen Mann an, zu dem mein kleiner Bruder herangewachsen ist, und er scheint immer noch der kleine Junge, der manches kapiert und anderes eben nicht.
    «Du kannst etwas für mich tun», sage ich. «Du kannst mir helfen, die Wohnung zu streichen. Ich kann mir keinen Maler leisten und habe keine Lust, es allein zu machen. Dann können wir beide es uns richtig gemütlich machen. Zwei Plus, die ein Minus ergeben.» Er schaut mich kurz an, wie um abzuwägen, ob ich den Gutmenschen heraushängen lasse oder wirklich Hilfe benötige, und sagt dann:
    «Das will ich unbedingt, Magni.»
    «Gut», sage ich. «Sollen wir uns dann nicht einen Kuchen bestellen und zu leichteren Themen übergehen?» Bevor er antworten kann, klingelt das Handy in seiner Hosentasche. Er zuckt zusammen und wühlt nach dem Telefon, aber anstatt das Gespräch anzunehmen, blickt er auf das Display, stellt das Klingeln ab und sagt:
    «Ich muss weg. Vielen Dank für alles.» Bevor ich aufstehen und ihn umarmen kann, ist er schon draußen, und da weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Egill verabschiedet mich immer mit einer Umarmung oder einem überschwänglichen, allzu festen Schulterklopfen. Es muss etwas Ernstes sein.
     
    Ich blicke ihm nach, wie er über

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