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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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und sofort auszieht, wenn er wieder anfängt. Er wollte keine Probleme machen, der liebe Junge.»
    «Nein», antworte ich, «er wollte sein Leben wieder ins richtige Fahrwasser bringen.»
    «Ja, er versuchte es. Ich habe immer zu ihm gesagt, dass er sich seine Freunde gut aussuchen muss. Zuletzt am Freitag, denn da hing er wieder mit diesem Elektriker herum, von dem ich gehört habe, dass er Sodomist sein soll. Dieses erbärmliche Volk hat oft einen ziemlich unordentlichen Lebenswandel.»
    «War das Atli Eyjólfsson?» Mein Herz pocht in meiner Brust.
    «Ja, der Sohn von Eyjólfur, dem Klempner in Selfoss, der seinerzeit die Firma Loftás betrieb. Irgendwie hat die ganze Familie so ihre Probleme.» Er dreht sich auf dem Absatz um, geht in die Küche, und kurze Zeit später höre ich Geschirr klappern. Er spült ab. Ich versuche, die Wut unter Kontrolle zu bringen, die die Erwähnung von Atlis Namen in mir entfacht hat, und blicke mich im Zimmer um. Es ist im Grunde ordentlich, trotz Polizei, ich öffne die Schubladen im Schreibtisch und setze mich auf Egills Stuhl. Er konnte von diesem Platz zwischen den Häusern hindurch das Meer sehen. Hätte ich ihn doch schon früher einmal besucht, dann hätte ich gewusst, wie das Zimmer aussah, als er noch lebte und keiner darin herumgewühlt hat. Wir haben uns immer bei mir getroffen, weil ich mehr Platz habe, oder wir gingen in die Stadt. Vielleicht stoße ich ja auf irgendetwas, was das seltsame Schicksal meines Bruders erklären kann oder mit Atli Eyjólfsson zu tun hat, aber natürlich hat die Polizei das alles längst mitgenommen. Ich gehe hinaus und bedanke mich bei dem Alten und sage ihm, dass ich mit Sicherheit wiederkomme und Egills Sachen hole. Das sei selbstverständlich, sagt er und lehnt dankend ab, sich von mir die Treppe hinunter begleiten zu lassen. Er müsse noch das Wohnzimmer saugen. Ich bin froh, meine Ungeduld nicht mehr länger bremsen zu müssen, springe die Stufen auf den Gehsteig hinunter und laufe schnell bis zur Snorrabraut. Von dort ist es nur ein kurzes Stück bis zum Hotel Loftleiðir, wo ich mir ein Auto mieten kann.
     
    In der Autovermietung sind nur Jeeps zu haben. Also nehme ich den billigsten und fahre dieselbe Strecke zurück, die ich gekommen bin. Womöglich ist ein Jeep zu auffällig für eine Beschattung, aber als ich mich umschaue, stelle ich fest, dass ich mich hervorragend angepasst habe. Das wechselhafte und schwierige Wetter, schlechte Straßenverhältnisse und der isländische Männlichkeitswahn haben den Jeep zum verbreitetsten Fahrzeug des Landes gemacht. Ich halte an einem Laden, um im Telefonbuch etwas nachzuschlagen. Ich versuche Atli Eyjólfsson vom Ladentelefon aus zu erreichen, aber es hebt niemand ab. Da er nicht zu Hause ist, ist es sinnlos, sich sofort vor seiner Wohnung zu positionieren. Ich verlasse mich darauf, dass er nach der Arbeit nach Hause kommt, und dann werde ich auf ihn warten und ihn bis auf weiteres auf Schritt und Tritt verfolgen. Was Egill wohl mit Atli zu schaffen hatte? Mir fällt nur eine Antwort ein: Atli muss sein Vertrauensmann gewesen sein. Egill hätte mir erzählt, wenn sie Bekannte oder Freunde gewesen wären. Er sprach viel über seine Freunde. Mein Herz wird schwer, wenn ich an Atli denke und dass er möglicherweise meinem Bruder Leid zugefügt hat. Je länger ich darüber nachdenke, desto besser passt alles zusammen. Vielleicht habe ich ihn in der Nacht auf dem Laugavegur provoziert, und deshalb hat er sich jetzt mehr auf mich und mein Umfeld eingeschossen. Die Nacht, als Fríða überfallen wurde, ging er den Laugavegur entlang in Richtung ihrer Wohnung. Zwar war er nicht allein, aber er könnte sich weiter unten von dem anderen verabschiedet oder ihn mitgenommen haben. Es kommt durchaus vor, dass Serienmörder Koabhängige dazu benutzen, ihnen zu helfen. Mein Kopf droht zu platzen bei all diesen Überlegungen, und für ein Bier würde ich ein Jahr meines Lebens geben. Als ich das Verlangen nach Alkohol spüre, kommt mir die Idee, dass ich wahrscheinlich ein Meeting besuchen sollte. Ich biege Richtung Hverfisgata ab und suche nach einem Parkplatz. Gerade findet das Nachmittagsmeeting der gläubigen Gruppe statt.
     
    Das Meeting ist um diese Uhrzeit schwach besucht. Vor allem Rentner sind da und solche, die keine feste Arbeit haben, denn es ist drei Uhr und der Arbeitstag eines normalen Isländers noch längst nicht zu Ende. Ich gebe mich damit zufrieden und suche mir einen Platz an der

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