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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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die Straße und auf den Platz läuft. Seine Bewegungen in der Daunenjacke sind immer noch ein wenig tollpatschig, genau wie in Kindertagen, als er in Skioverall und Stiefel eingepackt war. Es ist wenig los auf dem Austurvöllur, die Kälte ist unbarmherzig, und die Menschen erledigen eilig ihre Besorgungen, anstatt auf der Grasfläche oder auf den Bänken zu verweilen wie an schönen Tagen im Sommer. Egill bleibt kurz vor der Statue stehen und zieht sein Handy heraus. Dann scheint die Welt für eine Sekunde oder auch nur einen Sekundenbruchteil einzufrieren, bevor das Explosionsgeräusch an mein Ohr dringt. Die Detonation ist so stark, dass die Fenster des Cafés zittern und das Geschirr aus den Regalen fällt und zerbricht. Einige Leute werfen sich auf den Boden, andere schreien, und unter einem Tisch weint ein Baby. Auf der Straße kommt der Verkehr zum Stillstand, die Leute springen aus den Autos und versuchen, die Lärmquelle ausfindig zu machen. Aber ich weiß, woher der Knall kam, und starre immer noch auf den Fleck bei der Statue, wo mein Bruder eben noch gestanden hat. Sein Körper hat sich in ein riesiges Feuer verwandelt, das plötzlich und heftig aufgelodert ist, als käme es aus ihm selbst. Meine Füße tragen mich aus dem Café und auf den Platz, wo ich den Boden mit den Augen absuche, wie in der Hoffnung, dass das Gesehene nur eine optische Täuschung war und ich Egill irgendwo wohlbehalten wiederfinde.
     
    «Bitte schön.» Iðunn reicht mir den Kaffeebecher mit aufgeschäumtem Milchhäubchen, auf das sie Zucker gestreut hat, in dem hilflosen Versuch, mich aufzumuntern. Wir haben uns weinend in den Armen gelegen. Ich bin in Tränen ausgebrochen, als sie kam und mir die Arme um den Hals legte. Mit Iðunn kann man bedenkenlos weinen, und wir haben das Café so gut wie für uns allein. Es ist geschlossen worden wie alle anderen Betriebe im Umkreis sowie sämtliche Zufahrtswege zur Innenstadt. Im Fernseher in der Ecke laufen Sondernachrichten mit Liveschaltung. In der Laufschrift am unteren Rand steht:
Terroranschlag in der Innenstadt von Reykjavík? Mindestens ein Toter bei Explosion.
Iðunn hält meine Hand, ich schaue sie an und kann nichts sagen. Es gibt keine Worte, um zu beschreiben, wie ich mich fühle. Nach einer Weile kommt Njörður und setzt sich zu uns. Normalerweise hätte ich Abneigung oder Widerwillen ihm gegenüber empfunden, aber jetzt ist ein bekanntes Gesicht, auch wenn es mir zuwider ist, besser als ein unbekanntes.
    «Wir müssen dich leider bitten zu beschreiben, was passiert ist», sagt Iðunn leise, und ich nicke und nippe mehrmals am Kaffee, um meine Stimme wiederzugewinnen. Dann berichte ich von der Flamme und wie sie direkt aus Egills Körper zu kommen schien. Njörður tätigt einen Anruf und bittet den Sprengstoffexperten zu kommen. Kurz darauf erscheint ein Mann in schwarzem Overall, der mich nach der Farbe der Flamme fragt und ob sie mehr nach oben oder zu den Seiten ausschlug, ob es eine starke Rauchentwicklung gab und welche Farbe der Rauch hatte. Er fragt auch, ob Egill dick angezogen war oder ungewöhnlich füllig gewirkt hat. Ich berichte ihm, dass er nicht ablegen wollte, obwohl ihm der Schweiß hinunterlief, und wie gestresst er wirkte.
    «Könnte ein Sprengstoffgürtel unter der Kleidung sein», sagt der Schwarzgekleidete zu Iðunn und Njörður und schüttelt mir zum Abschied die Hand.
    «Mein herzliches Beileid», sagt er.
    «Hattest du angesichts eures Gesprächs den Eindruck, dass Egill Selbstmordabsichten hegte?», fragt Njörður mit ungewöhnlich gedämpfter Stimme.
    «Nein», antworte ich und erzähle ihnen von seinem Versprechen, mir beim Streichen meiner Wohnung zu helfen, und wie er sich umschaute, als er kam, als ob ihm jemand auf den Fersen wäre. Ich erwähne auch den Anruf, den er erhielt, kurz bevor er hinausstürzte, und dass es schien, als ob er genau in dem Moment das Handy herauszog, als sich die Explosion ereignete.
    «Zurückverfolgen», flüstert Iðunn Njörður zu, der sich eine Notiz macht.
    «Wir haben es wahrscheinlich mit demselben Typen zu tun, Magni», sagt Iðunn zu mir. «Es wäre gut, wenn du mit Megan durchgehen könntest, wo deiner Ansicht nach Egill im Schritte-Programm versagt hat.» Ich nicke. Plötzlich ist der Mordfall und alles, was damit zu tun hat, in weite Ferne gerückt und so klein und nichtig, gemessen daran, dass ich meinen Bruder verloren habe.
     
    Iðunn bringt mich nach Hause und kocht Tee für uns beide. Ich setze

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