Zwölf um ein Bett
sie ja sehen, wenn ich durch das Fenster gucke. Ich habe sie seit zwei Tagen nicht gesehen.« Sein betrübtes Gesicht, hinabgezogen durch das Gewicht der Nase, war nachdenklich. Es schien, daß er sie wirklich liebte. Oliver hätte zu gern gewußt, wie Violet in den Augen eines Mannes aussah, der sie liebte. Sah er sie so, wie sie war, oder in einem verschönernden Licht? Wie würde sie dies Zaubermäntelchen zu tragen wissen, und wie würde ihre Stimme klingen, wenn in den Augenblicken der Liebe die einfachsten Worte voller Musik und voller Bedeutung waren?
Fred machte sich aus dem Staube und war im nächsten Augenblick wieder zurück. »Mm«, sagte er, »sie ist da. Sie hat dies blaue Ding an. Ich mag sie gern in diesem blauen Ding, aber«, er lachte nachsichtig, »sie haßt Kleider, weißt du, kann sie nicht ausstehen. Sagt, sie wäre nur glücklich m Hosen. Und ich muß sagen, sie ist die einzige Frau, die ich kenne, die gut darin aussieht. Wenn man sie sieht, wie sic zur Jagd ausreitet auf deiner Stute, mit dem runden Hut und der weißen Halsbinde — dann kann sie all die Landladys ausstechen. Nicht, daß ich finde, sie ist keine Lady«, stammelte er. »Für mich ist sie sogar zu sehr Lady, das ist der Kummer.«
Oliver, der es nicht ertragen konnte, mit anzusehen, wie Fred immer röter und kleiner wurde, wechselte das Thema. »Ich wünschte, ich könnte zusehen, wenn ihr getraut werdet.«
»Das wünschte ich, zum Teufel, auch, alter Junge«, sagte Fred. »Du hättest mir etwas den Rücken gestärkt. Der alte Ken ist ja ganz in Ordnung — er soll Trauzeuge werden, weißt du — , aber er fürchtet sich ebenso vor der ganzen Sache wie ich.«
»Vorher einen ordentlichen Whisky«, sagte Oliver. »Das ist das ganze Geheimnis.«
»Du kannst wetten«, sagte Fred, »daß wir uns das schon vorgenommen haben. Und hinterher kauen wir Tee«, sagte er feierlich, »macht den Atem wohlriechend wie durch Zauber.«
»Und hinterher wird es allerlei zu trinken geben«, sagte Oliver, »um dir über den Empfang hinüberzuhelfen. Es war wirklich ein Glück, daß Stanford uns den Sekt besorgt hat. Dadurch wird die Party viel netter werden.«
»Mm«, sagte Fred wenig begeistert. Stanford Black gehörte zu den Leuten, die ihn zum Stottern brachten und seine Handflächen feucht werden ließen. Er hoffte, seine schwitzigen Hände würden Violet nichts ausmachen. Die ihren waren es niemals; sie waren trocken, rauh und kräftig.
Eine der wenigen erfreulichen Seiten der Hochzeit war, daß John schließlich doch Violets Brautführer sein konnte. Er hatte schon sein Bett verlassen, fühlte sich aber noch schwach, und seine Bräune war zu einem häßlichen Gelb abgeblaßt. Er schwor, ohne jedes Gefühl für Takt, daß es nur Elisabeths guter Pflege zu verdanken sei, wenn er sich so schnell von seinem ernsten Grippeanfall erholt hatte. Er und Elisabeth hatten sich während der Krankheit angefreundet und hatten ein oder zwei gemeinsame Ausdrücke und Anspielungen, die kein anderer verstand. Heather hatte sich auf den Standpunkt gestellt: Wenn Elisabeth da ist, ist ja für mich nichts zu tun, und hatte ihre Dienstleistungen darauf beschränkt, John jedesmal, wenn sie im Zimmer ein und aus ging, in einem entsetzlichen Zugwind zurückzulassen und ihrem Verdruß über seine Mutter Luft zu machen, während er dalag und nicht entfliehen konnte. Jede Krankheit beleidigte und empörte sie; stets machte sie ein großes Geschrei, sobald eines der Kinder unpäßlich war. Sie besprengte John von oben bis unten mit Eau de Cologne, was er nicht ausstehen konnte, und fragte ihn wohl zehnmal in einer Stunde, wie er es nur aushalten könnte in diesem heißen und muffigen Zimmer. Wenn er zuviel hustete, meinte sie, sie wäre davon überzeugt, daß er damit aufhören könnte, wenn er nur wollte; das Waschen aller seiner Taschentücher überließ sie Elisabeth, nicht ohne die Bemerkung zu machen, wer den Ruhm für die Pflege einheimsen wolle, könne auch die Schmutzarbeit machen.
Oliver, der sich zurückgesetzt fühlte, zog sie damit auf, daß sie auf Elisabeth eifersüchtig wäre.
»Eifersüchtig!« Heather warf ihren Kopf zurück. »Worauf denn in aller Welt? Zwischen ihnen ist nicht mehr als zwischen ihr und dir. Es ist einfach die verbindende Atmosphäre zwischen Patient und Schwester. Nein, nein, ich fürchte sogar, es ist nur diese rührende, harmlose Verbundenheit, denn John versteht überhaupt nicht zu flirten; mit mir hat er’s
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