Zwölf um ein Bett
auch nicht irgendwo, wo ich bin, weil sich mein Kopf schon dreht.«
»Armer, alter Liebling«, Heather ging plötzlich zu ihr hinüber und küßte sie mitten auf ihr Haarnetz, das ihre für den nächsten Tag sorgfältig eingelegte Frisur schützen sollte. Mrs. North hatte es gern, geküßt zu werden, und keins ihrer Kinder konnte es oft genug tun. »Du siehst wirklich müde aus. Im Gegensatz zu sonst sieht man dir fast dein Alter an. Da siehst du, Violet, was du angerichtet hast. Man hat dir zwar nicht gestattet, deinen Bruder über deiner Hochzeit sterben zu lassen, aber dafür hast du mit Erfolg deine Mutter völlig erledigt. Laß mich heute das Abendessen machen, Ma. Du bleibst hier und legst weiter deine Füße hoch und unterhältst dich mit Ollie.«
Sofort richtete sich Mrs. North auf und nahm bei dem Vorschlag ihre Füße herunter. »Das ist wirklich lieb von dir«, sagte sie, »aber ich muß ein Soufflé machen.«
»Du hast doch kein Monopol in Eierspeisen, Liebchen. Andere können auch Soufflés machen, weißt du.«
»Nicht so wie ich«, sagte ihre Mutter. »Nicht Champignon-Soufflés. Du weißt, wie gern Violet meine Champignon-Soufflés ißt, und es ist doch ihr Abend.«
»Sie ißt jedermanns Soufflé, selbst wenn es flach auf ihrem Teller zusammenfiele. Man kann sich aber kaum vorstellen, daß sie nach der Nascherei in der Speisekammer überhaupt noch Platz hat.«
»Violet, Kind, du hast doch nicht! Ich hatte dich beschworen...«
»Reg dich nicht auf«, sagte Violet. »Ich habe nur geguckt. Du bist eine gemeine Schlange, Heather Sandys, und ein Lügenschwein. Es wird mir nicht leid tun, endlich von dir wegzukommen.« Ohne aufzustehen, kroch sie hinüber zum Tisch am seitlichen Fenster, zerrte einen Hund am Nackenfell hervor, schleifte ihn über die Läufer, ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu, daß die Butzenscheiben im Rahmen schepperten.
»Ich werde die alte Vi vermissen«, sagte Heather. »Es macht Spaß, sie aufzuziehen, weil sie dann immer gleich hochgeht wie Mas Soufflés. Es wird furchtbar langweilig sein, wenn man niemanden mehr hat, mit dem man sich zanken kann. Sie ist im Grund keine schlechte Seele, wißt ihr. Ich mag den alten Vogel sehr gern.«
»Kein Mensch würde dir das glauben, nach deinem Umgangston«, sagte ihre Mutter.
»Das? Ach, das hat nichts zu bedeuten. Das ist die einzige Sprache, die sie versteht. Sie verliert den Boden unter den Füßen, wenn man höfliche Konversation mit ihr macht.«
»Dann müßte sie, wenn sie mit Fred zusammen lebt, abgrundtief sinken«, sagte Mrs. North. »Er ist so ungeheuer höflich, daß es mich ganz nervös macht.«
»Oh, sie werden gut miteinander auskommen«, sagte Heather unbekümmert. »Sie reden ja nie miteinander.«
Entgegen jeder Tradition kam Fred am Vorabend der Hochzeit zum Abendessen. John, der die Nacht vor seiner Hochzeit mit Heather vorschriftsmäßig mit seinen Freunden außerhalb des Hauses verbracht hatte, hatte sich erboten, für Fred im nächsten Gasthaus eine Party zu arrangieren, aber Mrs. North, die sich von Muffet und Miß Smuts ein wenig belastet fühlte, bat ihn, die Frauen nicht sich selbst zu überlassen. »Es wird langweilig für Violet, wenn wir nur eine Gesellschaft von lauter Gluckhennen sind«, sagte sie.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß es mit Fred sehr viel anregender wird«, posaunte Heather, die niemals ein Stichwort ausließ, aber ihre Mutter verwies ihr diese Redensarten so dicht vor der Hochzeit. Sie selbst war zufrieden, daß sich Violets Wünsche erfüllten, und gab sich große Mühe, Fred im besten Licht zu sehen. Ganz abgesehen davon, daß es geschmacklos wäre, sagte sie, Fred jetzt zu kritisieren, so konnte solches Gerede nichts daran ändern, daß er in einigen Tagen zur Familie gehören würde.
Der Trauzeuge von Fred, Kenneth Saxby, der mit ihm auf der Landwirtschaftlichen Hochschule gewesen war, kam auch zum Abendessen und sollte dann in Freds Hütte schlafen. Er war ein hübscher, ernster junger Mann mit Pickeln auf der Stirn und einem beginnenden Karbunkel im Nacken, den er mit Leukoplast verdeckt hatte. Er war Tierarzt mit einer wachsenden Praxis in Warwickshire, und im Moment seines Erscheinens bedrängte ihn Violet schon mit Fragen nach seiner ehrlichen Meinung über das Geschwür im Ohr ihres alten Labrador.
Er wurde noch vor dem Essen zu Oliver hineingeführt, um ihn kennenzulernen. Daher konnte Oliver feststellen, wie anders sich Fred im Umgang mit
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