Zwölf um ein Bett
ihren Träumen überlegt hätte. An einem Nachmittag im November war sie auch wieder eingenickt, und Oliver stellte das Radio leise und beobachtete Evelyn und ihre rattenschwänzige Freundin, beide in Capes und Gummischuhen, wie sie unter einer roten, strahlenlosen Sonne auf dem tieferliegenden Rasen die Blätter zusammenfegten. »Vielleicht«, sagte Mrs. North plötzlich, »wäre doch das kleine grüne Zimmer besser. Es ist wärmer, weil es über der Küche liegt.«
Oliver versuchte vergeblich, sich zu erinnern, worüber sie eine halbe Stunde vorher gesprochen hatten. »Sicher«, sagte er.
»Natürlich ist in dem großen unbenutzten Zimmer ein besseres Bett. Vielleicht ist sie an gute Betten gewöhnt.«
»Du meinst Anne? Ach, zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Steck sie in irgendeinen leeren Verschlag.«
»Was hast du denn für eine Vorstellung, wo sie am liebsten schlafen würde?«
»Hier, sollte ich meinen, nach dem Ton ihrer Briefe zu urteilen. Sieh dir mal diese dummen Mädels da draußen an. Bei diesem Wind hat das doch gar keinen Sinn! Evie!« rief er. »Das wird doch nie was! Warum gebt ihr’s nicht auf?« Evelyn drehte sich mit einem Armvoll Blätter zu ihm um, wobei ihr die meisten herunterfielen. »Wir werden es schon schaffen«, hörte man sie schrill und atemlos rufen, »wir müssen. Cowlin sagte ...« Der Rest ging im Wind unter, der ihr die Blätter entriß und ins Gesicht wehte, ehe sie sie in die Schubkarre tun konnte. Sie nahm ihrer Freundin die Harke weg und arbeitete mit verbissener Energie weiter. Immer stellte sie sich Aufgaben, die weit über ihre Kräfte gingen, war aber überzeugt, daß sie sie schon schaffen würde, und kämpfte bis zu Tränen, ehe sie es aufgab. Gestern hatte Oliver sie dabei beobachtet, wie sie mit Violet zusammen ein Hindernis auf dem Hügelfeld aufbaute. Sie mühte sich mit einem riesigen Grubenbalken ab, den sie quer über die Seitenpfosten legen wollte, und stupste Violet fort, die ihr helfen wollte. »Fegt doch nicht gegen, sondern mit dem Wind!« rief Oliver und zeigte die Richtung. Das war so vergeblich, wie Gebärden beim Telefonieren sind, denn sie konnten ihn gar nicht sehen.
»Du solltest nicht so schreien, Liebling«, sagte Mrs. North, die davon aufgewacht war. Sie las ein bißchen weiter, und als sie wieder aufwachte, fragte Oliver: »Gut geschlafen?«
»Ich habe nicht geschlafen!«
»Doch — runde zehn Minuten.«
»Unmöglich — ich lese doch. Ich kann höchstens zwei Sekunden eingenickt sein. Ich bin nicht sehr begeistert von diesem Buch, aber das Mädchen von der Leihbibliothek sagte, das lese jetzt jeder, und da dachte ich, dann müßte ich es ja wohl auch.«
Erst brachte Elisabeth Olivers Tee und kam dann nach einer Weile mit einem Tablett für Mrs. North wieder. »Das ist aber wirklich lieb von Ihnen«, sagte Mrs. North und nahm ihre Füße mit einem gerührten Brummen von dem Schemel, damit Elisabeth das Tablett daraufstellen konnte. »Das war wirklich nicht nötig; ich wollte gerade kommen. Haben die Kinder etwas?« Sie glaubte, jeder müßte verhungern, wenn sie nicht aufpaßte.
»Heather und ich haben mit ihnen im Kinderzimmer gegessen.«
»Frische Kuchenbrötchen!« Mrs. North hob den Deckel von den warmen Semmeln. »Haben Sie das gemacht? Sie sind wirklich lieb.« Sich bei Elisabeth zu bedanken, war ein schwieriges und von vornherein zum Scheitern verurteiltes Unternehmen. Sie sagte einfach: »Sie haben doch heute morgen gesagt, die saure Milch müßte verbraucht werden.«
»Ja, aber ich möchte nicht, daß Sie in Ihrer Freizeit kochen.«
»Ach, ich hatte immer noch Zeit genug, um ins Dorf zu gehen«, sagte Elisabeth. »Ich habe gleich die Briefmarken und Briefumschläge für Sie geholt und Ihre Schuhe zu Mr. Betteridge gebracht. Er sagt, sie wären in einer Woche fertig.«
»Das war doch nicht nötig. Ich hätte sie doch selber bringen können. Aber es ist reizend von Ihnen, daß Sie daran gedacht haben.« Elisabeth fand das weniger.
»Ich mußte sowieso ins Dorf Zahnpasta holen«, sagte sie, und Oliver überlegte sich, ob sie das alles nur tat, weil sie seine Mutter gern hatte, oder ob sie wirklich so unbeteiligt war, wie sie schien.
»Ach, Elisabeth!« Mrs. North rief sie mit dem typischen trällernden Ruf, mit dem die Amerikaner durch das Treppenhaus rufen, wieder zurück, als sie schon die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Ich überlege, ob ich Miß Frith nicht doch in dem kleinen grünen Zimmer unterbringen soll.
Weitere Kostenlose Bücher