Zwölf um ein Bett
unternehmungslustig aus. Der Duft, der aus ihrem Haar zu ihm aufstieg, war verwirrend vertraut, und ihre Gegenwart hatte noch immer diese elektrische Wirkung, die einem das Leben aufregender erscheinen ließ, als es in Wirklichkeit war. Er fühlte, daß die alte Erregung sprungbereit in der Ecke lauerte, aber er wollte nicht, daß sie wieder auflebte. Er hatte die Geschichte mit Anne vor zwei Jahren verwunden und nicht die Absicht, seinen Seelenfrieden wieder stören zu lassen. Er brauchte sie nicht in seinem neuen Leben; da war kein Platz für Leidenschaften und Eifersucht und Ekstase und Verzweiflung.
Er überlegte, mit welcher Absicht sie wohl das zweijährige Schweigen gebrochen und ihm den zärtlichen Brief geschrieben hatte, auf den hin sie hierhergekommen war. Augenblicklich war ihre Haltung ihm gegenüber sehr schwesterlich. Sie hatte nichts Verführerisches, außer eben, daß sie Anne war. Daran konnte sie nichts ändern.
Sie war zu allen sehr reizend an diesem Wochenende. Sie versuchte, Violet nicht anzustarren, wenn diese in einem Kleid mit hängendem Saum und einem Gürtel aus einem alten leinenen Sattelgurt erschien. Sie spielte nach dem Tee bezaubernd mit den Kindern. Sie war freundlich zu Elisabeth, nachdem sie sich mit Befriedigung davon überzeugt hatte, daß zwischen ihr und Oliver nichts war. Sie und Heather, deren Wege sich damals getrennt hatten, fanden sich wieder; sie standen mit umeinandergeschlungenen Armen und unterhielten sich über Kleider. Mrs. North kam in ihrem Morgenrock zu Oliver, um ihm zu sagen, daß sie Anne falsch beurteilt hatte; nach zehn Minuten erschien sie wieder, um herauszubekommen, ob Oliver von ihr beeindruckt war.
Am Sonntagmorgen fragte er Anne, was sie von Elisabeth, und Elisabeth, was sie von Anne dachte. Es machte ihm Vergnügen, die Meinung der Frauen übereinander zu hören. Elisabeth sagte höflich: »Sie ist sehr anziehend.«
»Mögen Sie sie?«
»Ja. Geben Sie mir bitte die andere Hand.«
»Ich habe sie seit zwei Jahren nicht gesehen, wissen Sie. Ich habe mich gewundert, daß sie plötzlich wieder hierherkam.«
»Ihre Nägel sind schmutzig. Um Sie zu besuchen, nehme ich an.«
Elisabeth hatte sich an diesem Wochenende mehr denn je hinter ihrer Zurückhaltung verschanzt. Oliver versuchte, sie zu reizen und aus ihrer Reserve herauszulocken.
»Sie und ich hatten einmal eine schreckliche Geschichte miteinander«, sagte er und beobachtete ihr Gesicht, während sie ihm die Nägel mit einem Stäbchen saubermachte. »Wie nett«, sagte sie.
»Wir hatten drei Wochen lang in London eine Wohnung. Hauptmann North und Frau. Es war sehr lustig.«
»Das glaube ich.«
»Ich dachte damals, wir würden wirklich Hauptmann North und Frau, aber es kam nicht dazu. Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, in einen Fluß zu springen, Elisabeth?«
»Hunderte von Malen«, sagte sie kurz und gab ihm seine Hand zurück. »Ihre Mutter möchte gern wissen, wie sie Ihr Ei kochen soll.«
Anne sagte: »Ich finde sie süß, das arme Ding. Es muß schrecklich sein.«
»Ich wüßte nicht warum«, sagte Oliver, »so abstoßend bin ich doch nicht, denke ich.«
»So meinte ich das nicht, Liebling, das weißt du ganz gut. Ich meine, immer bei fremden Leuten leben und weder das eine noch das andere sein. Auch für die Familie ein bißchen anstrengend, immer jemanden um sich herum zu haben. Als ich nach meiner Mandeloperation zu Hause lag, ließ meine Mutter der Pflegerin meist das Essen auf ihr Zimmer bringen. Dann meuterten natürlich die Mädchen.«
»Mich wundert, daß die Pflegerin nicht meuterte«, sagte Oliver.
»Aber Oliver, sie war ein so trauriges Kaliber. Du mußt zugeben, daß diese hier gerade auch nicht ein Sprühteufelchen ist. Ist sie immer so >piano«
»Sie hat verborgene Tiefen.«
»Armer Ollie, warum bist du neuerdings so zuckersüß jedem gegenüber? Du hast dich verändert. Du warst sonst immer so ausgesprochen maliziös. Weißt du noch, wie wir abends im Bett jeden, den wir kannten, zu Puppenlappen zerfetzten?«
»Heather sagt, ich sei auf dem besten Wege, ein Heiliger zu werden.«
»Nun, viel fehlt wirklich nicht, weißt du«, sagte Anne betrübt, »es steht dir gar nicht. Armer Ollie!«
»Warum siehst du mich so tragisch an?« fragte er. Sie sah ihn noch einen Moment an und brach dann plötzlich in Tränen aus.
»Was um Himmels willen...? Komm, Anne, was ist los?«
»Es ist so traurig! Ach, es ist so traurig.«
»Sei kein Frosch. Hier, putz dir
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