Zwölf um ein Bett
seine Nase noch um einen Schein dunkler zu werden. Sie zwang die Aufmerksamkeit auf sich, beherrschte sein Gesicht und war doch so unproportioniert, daß sie ebensowenig zu seinem Körper zu gehören schien, wie die Lampe an der Mütze zu dem eines Bergarbeiters. Wenn er sehr verlegen war, blinzelte er in rasender Schnelle mit seinen Augen, so als ob er das Funkeln seiner Nase nicht ertragen könnte.
Auch John war rot geworden; eine Röte, die unter der Bräune in seine breiten Wangen stieg. »Du machst dich zur Närrin, Heather-Bell«, sagte er, »sei doch still.«
Sofort nahm sie nun Partei gegen ihn. »Werde ich auch. Ich habe nur versucht, für dich einzutreten, weil du selbst nicht fähig dazu bist. Wenn man bedenkt, daß du gesagt hast, du wolltest nicht Violets Brautführer sein, und wünschtest, Ma hätte dich nicht darum gebeten, denn ablehnen könntest du es ja nicht gut.«
»Na, das hab’ ich gern!« schrie Violet, nun plötzlich auf der Seite von Heather.
Oliver fiel rasch ein: »So meinte er es doch nicht, Vi. Es ist doch nur, weil er sich scheut, sich öffentlich zur Schau zu stellen.«
»Ach, misch du dich doch nicht ein!« Mrs. North trat mit einem erschreckten Ausruf einige Schritte vor, als Heather zu ihm herumflog. »Du liegst da und teilst von deinem Bett Weisheiten aus, wie einer von der Heilsarmee seine Traktate. Wie willst du wissen, was er meinte und was er nicht meinte? Wenn du mich fragen willst, so ist jeder in diesem Hause zu sehr interessiert an allem, was nur die anderen angeht. Und das gilt auch für dich«, sagte sie, griff sich David vom Fußboden, wo er den wütenden Stimmen zur Gesellschaft mitjammerte, und trug ihn mit hochgezogenen Hosen und baumelnden Beinen fort.
Als sie gegangen war, ließ Fred alle zusammenfahren, indem er sich mit einem Geräusch räusperte, als ob jemand kreischend einen neuen Gang einschaltete. Er erhob sich und blieb stehen, wobei er seine rechte Hand zwischen sich und Mrs. North in der Luft herumschwenkte. Er wußte nie, ob sie von ihm erwartete, daß er ihr die Hand schüttelte. »Äh — ja, ich muß mich auf den Weg machen«, sagte er. »Ich danke vielmals für den Cocktail.«
»Aber nicht doch«, sagte sie und ging mit ihm zur Tür. »Es tut mir furchtbar leid, daß die Mädels sich so schlecht benommen haben. Ich weiß nicht, was in letzter Zeit in sie gefahren ist. Die eine hat ihren Mann aus der Gefangenschaft wieder, die andere steht kurz vor der Heirat, und doch sind sie so streitsüchtig wie ein Paar wilde Katzen. Du mußt Violet ein bißchen Verstand eintrichtern, wenn du sie für dich allein hast.« Fred sah völlig erschlagen aus. Mrs. North fuhr zurück, als Violet ungestüm an ihr vorbeistürmte und Fred auf die Hacken trat, damit er die Tür freigäbe.
»Wenn deine Schwestern nicht so groß wären«, sagte Mrs. North, winkte Fred zum Abschied und ließ das künstliche Lächeln fallen, als sie ins Zimmer zurücktrat, »würde ich beide ohrfeigen.«
»Zu spät«, sagte Oliver, »so sind sie, seit sie sprechen können.«
»Aber niemals waren sie so schlimm wie jetzt, Liebling. Jedenfalls nicht Heather. Sie scheint mit Absicht jedem die verletzendsten Dinge zu sagen, die sie sich ausdenken kann. Natürlich nur, wenn sie müde und gereizt ist«, fügte sie hinzu, als sie sah, wie John eine steife Haltung einnahm.
»Aber sie brauchte nicht müde und gereizt zu sein, John. Jetzt, wo Elisabeth ihr hilft, hat sie doch nicht mehr soviel zu tun. Meinst du nicht, wir sollten sie einmal untersuchen lassen? Vielleicht fehlt ihr was!«
»Daran habe ich schon gedacht«, sagte John, »aber sie geht nicht darauf ein. Sie sagt, sie fühlt sich ausgezeichnet.«
»Ich glaube bestimmt, daß irgend etwas nicht in Ordnung ist«, sagte Mrs. North, »aber ich kann ja nichts bei ihr erreichen. Ich weiß nicht, warum du sie dir nicht einmal vornimmst. Es kann für dich doch auch kein reines Vergnügen sein, wenn sie sich so benimmt.« John legte seine Hände auf die Lehnen seines Sessels und blickte hilfesuchend umher, ob sich nicht eine Gelegenheit zur Flucht finden ließe. Er konnte es nicht ertragen, wenn über Heather gesprochen wurde.
»Warum versuchst du es nicht einmal mit Steinzeit-Methoden, alter Junge?« schlug Oliver vor. »Vielleicht hat sie das gern. Eine verdammt gute Tracht Prügel, und sie leckt dir die Stiefel.« John stellte sich unruhig auf die Füße und lachte schallend, als ob er Olivers Geschmacklosigkeit für einen Witz nähme.
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