Zwölf um ein Bett
gehört, wie John sagte, daß er aufreizend auf sie wirke. Der arme Mann wird zwischen seiner Mutter und Heather zu Puppenlappen zerrissen werden, und meine Nerven auch.«
»Und meine auch«, murmelte Oliver und verwünschte es im gleichen Augenblick, denn seine Mutter änderte sofort ihre Meinung, daß er ihr keine Sorge mache, und erklärte es als ihre größte Angst, die ungemütliche Atmosphäre im Hause könne ihm schaden.
»Ich werde einmal neue Regeln für die Besuche aufstellen müssen«, sagte sie. »Nicht zu viele auf einmal, und wenn sie anfangen, sich zu streiten, werden sie ‘rausgeworfen. Ich weiß schon, wie ich den Empfang bei der Hochzeit mache. Er geht im Wohnzimmer vor sich, mit weit offenen Türen zum Garten, wenn das Wetter schön genug ist, und nur die, die du sehen möchtest, dürfen hereinkommen, und nur ein paar auf einmal. Es kommt gar nicht in Frage, daß eine ganze Meute hier hereinbricht und dich zur Strecke bringt.«
»Aber ich habe gern Menschen um mich herum«, widersprach Oliver. »Ich möchte sie gern alle sehen, besonders, wenn sie sich mit ihren besten Sachen aufgetakelt haben. Ich möchte alle die Hüte der Frauen sehen.«
»Du kannst sie durchs Fenster sehen, wenn es nicht gerade regnet. Schließlich bin ich davon überzeugt, daß du nicht gern Leute hier hast, die sich zanken.«
»Ich habe meinen Spaß daran, wenn ich nicht Partei ergreifen muß. Ich komme mir dann vor, als ob ich im Parkett säße und mir einen Familienreißer Vorspielen ließe.«
»Mein Liebling, weißt du noch, wie du mich einige Jahre vor dem Krieg mit ins Theater genommen hast, und hinterher sind wir ins >Savoy< gegangen? Du warst ein solch ansehnlicher junger Mann«, sie starrte ihn an wie durch einen Nebel; dann plötzlich nahm die Uhr neben seinem Bett in diesem Nebel deutliche Gestalt an, sie sprang mit ihren Füßen wieder auf den Boden und eilte geschäftig hinaus, den Kopf erfüllt vom Abendessen.
Die arme verrückte Kreatur war Johns Mutter, Lady Sandys. Sie war nicht richtig verrückt, litt jedoch an krampfhaften Anfällen von Kleptomanie, die sich unter psychotherapeutischer Behandlung verschlimmert hatten und gegen die nun nichts mehr unternommen wurde — man übersah sie geflissentlich. Sie hatte schon einmal zu Heathers Hochzeit einige Tage auf Hinkley verlebt, so daß alle, ausgenommen Elisabeth, die Spielregeln kannten. Vermißte man etwas, verlor man kein Wort darüber und wartete geduldig, ließ höchstens, wenn es sich nötig erwies, eine Bemerkung darüber fallen, daß es schon lange vorher abhanden gekommen wäre.
Lady Sandys hatte eine Gesellschafterin, Miß Smuts, eine kleine, alte Person, die aussah wie eine verschrumpelte Birne mit einem Schnurrbart; deren vertrauliche Aufgabe War es, das Diebesgut aus den klug gewählten Verstecken, m denen Lady Sandys es verbarg, sobald ein Anfall sie überkam, wieder hervorzuholen. Wenn sie nicht wußte, wem es gehörte, legte Miß Smuts die Uhr oder den Handschuh oder das Armband auf den halbmondförmigen Tisch im oberen Korridor, und man brauchte sich dann nur zu nehmen, was einem gehörte. Jeder warf im Vorübergehen automatisch einen Blick auf das Tischchen, so wie ein Hotelgast jedesmal, wenn er an der Portierloge vorbeigeht, mit einem Blick die Postfächer streift. Lady Sandys konnte mit ihrem charakteristischen, kurzen Eins-zwei-Schritt an dem Tischchen Vorbeigehen und sich nur flüchtig verwundern, daß jemand seinen Schuh oder die Zahnbürste dort hatte liegenlassen; denn nachdem sie einmal die Sache an sich gebracht hatte, verlor sie jedes Interesse daran, und es schien ihr überhaupt nicht bewußt zu sein, daß sie sie genommen hatte. Sie konnte sie sogar noch einmal nehmen, wenn es wieder über sie kam. Darum war es klüger, wenn man seinen Besitz so bald wie möglich wieder an sich nahm.
Sie nahm niemals Geld. Sie war theoretisch ehrlich, aber mit Vorsicht zu genießen. Seit dem Tode seines Vaters, als er knapp erwachsen war, hatte John die Affären seiner Mutter geregelt. Während er fort war, hatte sie sich ständig in verzwickten Situationen befunden, denn sie hielt nicht viel von Miß Smuts und traute ihr eine Erledigung der Rechnungen nicht zu. Lady Sandys bezahlte manche Kaufleute sechsmal, andere überhaupt nicht; sie machte das so, daß sie sie gerade noch zur rechten Zeit zum Tee einlud, ihnen Mürbekeks vorsetzte, an die sie ihre ganze Butterration verschwendete, und ihnen über das hinaus, was sie
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