Zwölf um ein Bett
und fixierte sie mit einem schmalen, klaren Auge wie eine Schildkröte, »steht das ganze Haus köpf wegen deiner Hochzeit, aber ich kann eigentlich nicht finden, daß es sie besonders schön macht, wenn dein Bruder dabei stirbt.«
»Stirbt!« schnaufte Violet. »Du bist wie ein altes Weib.«
»Schon gut, Vi«, sagte Oliver, »es ist eine Verschwörung. Ich kann sehr gut zur Hochzeit kommen. Sie behandeln mich hier wie ein Kind, das nicht weiß, wann es müde ist.« Er war in sein Bett zurückgesunken. Im Innersten seines Herzens war er erleichtert, wollte es aber nicht zugeben.
»Und im übrigen bist du unglaublich kindisch«, sagte Dr. Trevor und stopfte das Stethoskop in seine Tasche. »Mach jetzt, daß du wegkommst, Violet, ich will Olivers Bein nachsehen.« Sie warf ihm einen finsteren Blick zu und sagte: »Sturer Bock, Ollie«, und latschte unter dem Sack gebückt über den Rasen fort, wobei sie kleine Wasserfontänen hochspritzte.
Als Dr. Trevor mit der Untersuchung fertig war und Elisabeth das Bett wieder in Ordnung gebracht hatte, sagte er: »Tut mir leid wegen der Hochzeit, alter Junge, aber denk nicht, daß ich mich von deiner Mutter habe beeinflussen lassen; ich habe nämlich die Gewohnheit, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich werde dir mal was sagen: Du kannst damit anfangen, jeden Tag fünf Minuten aufzusitzen. In den Sessel da kannst du dich setzen und deine Beine baumeln lassen. Später, wenn der Rollstuhl da ist, kannst du bei warmem Wetter ‘raus in den Garten.«
»Ich will gar nicht aufstehen«, knurrte Oliver.
»Passen Sie auf, daß er es regelmäßig macht, Schwester, wenn er einmal damit angefangen hat.«
»Ja, natürlich, Herr Doktor.« Sie ging, Olivers Pulstabelle zu holen, und Dr. Trevor sagte mit einem Ruck seines viereckigen Kopfes: »Nettes Mädel das. Erinnert mich an ein schwedisches Mädchen, das ich kannte: frisch und kühl wie Butter. Bereits verliebt in dich?«
»Red doch kein Blech«, sagte Oliver.
»Oh, ich wollte dir keine Schmeichelei sagen. Es ist unvermeidlich, daß es ihnen bei jedem jungen männlichen Patienten so geht, den sie lange genug pflegen. Genauso geht’s den Patienten — natürliche Reaktion auf Abhängigkeit und Dankbarkeit, selbst bei viel häßlicheren Exemplaren als diese hier. Auf diese Weise kommen die Schwestern zu Verlobungen. Manchmal ziemlich scheußlich, wenn er sie anders als in Tracht und sie ihn anders als im Pyjama sieht und sie sich überhaupt nicht mehr brauchen.«
Violet war wütend. Sie nahm den Vorschlag, daß John ihr Brautführer werden sollte, sehr ungnädig auf. Sie hatte Oliver gewollt, und Oliver hatte auch gewollt. Niemals ließ man sie etwas für ihn tun, und jetzt durfte sie ihm noch nicht einmal dieses kleine Vergnügen machen.
»Sei froh, daß du es für ein Vergnügen hältst«, sagte Heather, »ich würde eher sagen, er kann glücklich sein, daß er es nicht zu machen braucht. Du brauchst dir nicht einzubilden, daß es für John ein Vergnügen ist, wenn er in dieser deprimierenden Kirche herumstehen, seinen Rücken von der halben Umgegend kritisieren lassen und sich nachher die Mühe geben muß, eine überzeugende Rede zu halten, wie reizend er dich findet, die Mrs. Ogilvie dann im Geiste mitstenografiert und jeden damit beglückt, der nicht eingeladen war.«
»Warum macht er es dann?« gab Violet zurück. »Ich weiß nur, daß ich ihn nicht darum gebeten habe.«
John schlechtzumachen, war nur Heather erlaubt. Sie geriet in Feuer bei seiner Verteidigung. »Weil er zu gutmütig ist, um es abzulehnen, darum. Du kannst dir wohl nicht vorstellen, daß es ihn kalt überläuft, wenn er dich Fred übergeben soll, wie ein Lamm dem Schlächter? Nein, nicht wie ein Lamm...«, sie blickte Violet kühl von oben bis unten an, wie sie da vor ihr stand, das Haar zerrauft, in ihrem Heimwehr-Pullover und schmutzigen, grauen Flanellhosen, deren Rückentasche durch ein buntes Taschentuch ausgebeult war, »wie einen alten Leithammel.«
»Unverschämtheit!« schrie Violet. »Hast du gehört, was sie gesagt hat, Fred? Lang ihr eine.«
»Schlag mich doch selber«, grinste Heather. »Du bist doch stärker als er.« Das peinlichste an diesem Streit war, daß sowohl Fred als auch John im Zimmer waren. Die Schwestern kümmerten sich niemals darum, ob jemand dabei war, wenn sie sich in die Haare gerieten. Ein Publikum schien sie erst recht anzufeuern. Schon beim Beginn des Streites war Fred karminrot angelaufen, aber jetzt schien
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