Zwölf um ein Bett
»Na, ich glaube, ich werde besser ‘raufgehen und mich zum Abendessen umziehen«, murmelte er vor sich hin.
Oliver deutete auf seinen Jagdstutzen, der mit seinen Rieten säuberlich an zwei Nägeln über dem Kamin hing. »Nimm das mit und gib ihr das nächste Mal, wenn sie mit ihrer losen Zunge über dich herfällt, damit etwas hinten drauf.« Er hob seinen Arm und ließ ihn scharf über seiner Brust wieder heruntersausen, wobei er sein Handgelenk Rippen ließ und den Knall einer Peitsche mit der Zunge gegen die Zähne nachahmte.
John stand mitten im Zimmer und klimperte mit dem Kleingeld in der Hosentasche, mit vorgehaltenem Kopf zwischen hochgezogenen Schultern, vorspringendem Kinn und den entsprechenden Falten auf der Stirn. Er wollte nicht über Heather reden. Er wollte nicht bleiben und zuhören, wie man über sie redete, und doch wollte er nicht gehen, ohne vorher etwas zu ihrer Verteidigung gesagt zu haben.
»Ihr wißt doch, es ist nicht ihre Schuld«, fing er an und schwieg. Ein Zeichen, daß auch er der Überzeugung war, in ihren Beziehungen zueinander stimmte etwas nicht; aber auch das wollte er in seiner Treue zu Heather nicht zugeben.
»Nicht ihre Schuld?« bohrte Oliver. »Ich glaube beinahe, wenn sie dir in die Haare fährt, behauptest du noch, es wäre deine Schuld, weil du sie nicht kürzer hättest schneiden lassen.«
»So ähnlich«, sagte John, starrte aus dem Fenster und ließ die Bügelfalten in seinen Hosen hervorspringen, indem er seine Fäuste fest in den Taschen ballte. »Ich weiß, daß ich komischerweise Menschen nervös machen kann. Meine Mutter sagte immer, ich sei der aufreizendste Mensch, den sie je gekannt hätte, außer meinem Vater.«
»Ich behaupte, gleich zu gleich gesellt sich gern«, sagte Mrs. North mit der sanften Stimme der englischen Kinderfrau, von der sie diese Redensart hatte. »Lauf jetzt, mein Lieber, und zieh dich um, sonst kommst du zu spät zum Abendbrot. Und mach dir keine Sorgen um Heather; nach meiner Meinung wird es besser mit ihr werden, wenn sie erst zur Ruhe kommt. Du solltest mit ihr irgendwohin Ferien machen, fort von uns allen, und für euch allein. Nach der schrecklichen Zeit, die du durchgemacht hast, hättest du ein bißchen Vergnügen verdient.« Wenn er auch nicht wie ein kleiner Junge aussah, so konnte er doch mit
Erfolg wie ein solcher behandelt werden. Er dankte ihr mit seinem charmanten, wirkungsvollen Lächeln und ging langsam aus dem Zimmer.
»Ich kann es nicht vertragen«, sagte Mrs. North, schloß die Tür hinter ihm und sank in einen Sessel, ihre plumpen, kleinen Füße vor sich ausgestreckt, »ich kann es nicht vertragen, daß er so unterwürfig ist. Kein Wunder, daß Heather manchmal das Gefühl hat, sie müßte ihn mit einem rotglühenden Schürhaken aufstochern.«
»Er hat ebensowenig Ahnung, wie man sie behandeln muß, wie mein Fuß«, sagte Oliver. »Wie der zerschossene, meine ich.«
»Nicht doch, Liebling.« Sie warf einen unbewußten Blick auf die flache Stelle unter der Bettdecke. »Ich mach’ mir Sorgen um die beiden, weißt du das?« sagte sie betont, als ob es etwas Ungewöhnliches wäre, daß sie sich über jemanden Sorgen machte.
»Das lenkt dich jedenfalls von mir ab.«
»Ach du. Du bist der einzige, um den ich mir in den letzten Tagen keine Sorgen zu machen brauchte. Dies Haus war wirklich friedlich den ganzen Krieg über. Jetzt, wo wir Frieden haben, herrscht nur Durcheinander. Susan bekommt Zähne, Violet benimmt sich wie ein temperamentvoller Filmstar und sieht aus wie eine Kuhmagd, Evelyn läuft wild herum wie eine Gebirgsziege, und John und Heather sind von allen guten Geistern verlassen. Mrs. Cowlin wird jetzt im Frühling immer verrückter, und Cowlin grollt mit mir, weil er zwei Hähnchen zur Hochzeit schlachten soll.« Sie seufzte. »Sogar Elisabeth ist nicht mehr so erfreulich, wie sie war. Sie ist so still und abwesend. Und jedesmal, wenn sie von ihrem Wochenende zurückkommt, habe ich festgestellt, daß sie noch abwesender ist als sonst. Ich glaube, sie bleibt nicht mehr lange bei uns. Vielleicht ist sie verliebt; ich glaube, sie hat einen Mann in der Stadt. Ich habe sie gefragt, aber es war nichts aus ihr herauszubekommen. Es ist unnatürlich für ein verliebtes Mädchen, daß sie nicht darüber sprechen will.« Oliver sagte nichts, und seine Mutter plätscherte weiter im Strom ihrer Leiden. »Und die Krone von allem: Nächste Woche will diese arme, verrückte Kreatur hierherkommen, und du hast
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