Zwölf um ein Bett
nicht für ihren Sohn halten würde. »Was ist mit dem Taxi, Mutter? Es wartet auf Bezahlung.«
»Oh, aber er sollte doch seinen Tee bekommen!« Sie wippte betroffen herum. »Ich habe ihm doch Tee versprochen. Weißt du«, wandte sie sich wieder an Oliver, »dieser arme Mr. Steptoe hat den ganzen Tag noch nichts gegessen. Ich finde es skandalös. Er erzählte mir, daß ihm seine Frau immer Brote mit ihrer Käse- und Cornedbeef-Zuteilung mitgeben will, aber er läßt das nicht zu, weil sie blutarm ist, weißt du, und aufgepäppelt werden muß. Ich finde, es ist wirklich erschütternd, was für ein Leben manche Menschen führen. Manchmal wache ich nachts auf und zerbreche mir den Kopf darüber; du auch? Soll ich gehen und den Kessel auf setzen, John, und ein paar köstliche Buttertoaste zurechtmachen? Hoffentlich hat deine Schwiegermutter Zimt da. Der arme Mann muß seinen Tee haben. Er sehnt sich schon danach, seit ich es ihm in diesem Dorf mit der buckligen Brücke versprochen habe.«
»Schon gut, Liebe«, sagte John. »Elisabeth macht es zurecht.«
»Elisabeth?« fragte sie, immer für neue Namen interessiert.
»Meine Pflegerin«, erklärte Oliver.
»Ach ja, natürlich. Ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen. Pflegerinnen liegen mir, besonders junge. Ist sie jung? Sie haben dies Faszinierende, über ihre Jahre hinaus erfahren zu sein, wie französische Mädchen.«
»Wenn du mir das Geld für die Taxe geben wolltest, Liebe«, sagte John nochmals geduldig, »könnte er nach seinem berühmten Tee direkt aus der Küche hinausgehen. Smutty scheint nicht genug für ihn dazuhaben.«
»Ich lasse sie niemals viel Geld herumtragen. Sie ist so sorglos damit, armes altes Ding. Bezahl du es, Liebling; ich habe kein Kleingeld.«
»Ich auch nicht«, sagte John unerbittlich. Er gab es niemals auf, seine Mutter zu erziehen.
»Laß nur mich«, Oliver griff in die Schublade seines Nachttisches. »Hier hast du, Jonathan; es wird mit Aufschlag sechs Schilling machen, wenn nicht ein Haufen Gepäck dabei war.«
»War dabei«, sagte John. »Aber ich will das nicht, alter Junge. Ich werde schnell mal ‘raufspringen und nachsehen, was noch in meinem anderen Anzug steckt.«
»Ach, nimm es doch schon«, sagte Oliver, der es müde wurde, das Geld hinzuhalten.
»Ich danke dir wirklich schrecklich«, sagte Lady Sandys mit einem Schmetterlingsklaps auf seinen Arm. »Ich gebe es dir morgen wieder.«
Das außergewöhnliche war, daß sie es auch tat. Oliver schien einen festigenden Einfluß auf sie auszuüben. Sie hatte ihn sofort in ihr Herz geschlossen; sie war fasziniert von ihm und verbrachte so viel Zeit wie nur möglich in seinem Zimmer, wobei sie sich ruhiger aufführte, als wenn sie mit anderen Menschen zusammen war. Sie machte es sich sogar für eine halbe Stunde in einem Sessel bequem und las ihm neue Gedichte von Walter de Mare vor, die sie ihm als Geschenk mitgebracht hatte. Wenn auch Mrs. North drei Tage nach ihrer Ankunft eine neue Schachtel für Taschentücher und Heather einen Schal vermißte und das halbmondförmige Tischchen wieder seine Rolle spielte und jeder wußte, ohne viel Worte darüber zu verlieren, daß der Anfall da war, so verschwand niemals etwas aus Olivers Zimmer.
Miß Smuts war ungeheuer beeindruckt. »Ich kann es nicht begreifen«, erzählte sie ihm mit ihrer Trauerstimme. »Sie können mehr bei ihrer Ladyschaft erreichen, als ich nach zwanzig Jahren. Sie meinen wirklich, daß der Füllfederhalter, den ich bei ihr gefunden habe, nicht Ihnen gehört?«
»Nein«, sagte Oliver. »Sie nimmt hier niemals etwas fort, selbst dann nicht, als ich die Augen zugemacht und so getan habe, als ob ich eingeschlafen wäre, weil ich einmal sehen wollte, was sie dann macht. Ich glaube, Sie übertreiben die ganze Sache.«
Miß Smuts verschränkte die Arme unter ihrem Busen, der den Abdrücken von zwei länglichen Birnen in einer Tüte entsprach. »O nein«, sagte sie und schüttelte ihren Kopf mit einem traurigen, überlegenen Lächeln. »Bestimmt nicht. Zwanzig Jahre .ist sie nun so, die arme Lady, durch und durch. Ich war bei ihr, als es anfing. Daran ist ihr Mann gestorben, wie sie ja zweifellos gehört haben werden. Er war ein feiner Mann; nicht, daß ich ihn je gesehen e, außer in seinem Sarg natürlich, als ich das erstemal zu Ihrer Ladyschaft kam, aber da war der Deckel schon drauf. Vor zwanzig Jahren...« Sie schaukelte sich ein wenig. »Zwanzig Jahre voller Schwierigkeiten. Ich könnte Ihnen
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