Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt
könnten, würde wohl der Empfang in Heiligkreuz etwas anders geraten. Immerhin, das war ja erst morgen. Heute war es anders, heute ging es ihnen gut. Und sie nutzten es aus. Sie schlugen sich die Bäuche voll mit all den leckeren Sachen, die ihnen aufgetischt wurden. Als sie gegen neun Uhr abends hundemüde in den Hildenfelder Betten lagen, saßen die Bauern noch im Dorfkrug beisammen, um die Lobgesänge auf die Obermauelsbacher Jungen mit Hilfe einiger Krüglein Bier zu einem guten Beschluß zu bringen. Da trat der Pastor in die Tür des Schankstübchens, und als weitblickender Mann erklärte er, man müsse den Eltern der Jungen nach Heiligkreuz schleunigst Bericht geben über alles, was vorgefallen. Selbstverständlich, das müßte man, und den Jungen konnte es nur von Nutzen sein.
»Freilich«, sagte der Herr Pastor, »dürfen wir das den Jungen nicht sagen, daß ihre Eltern von uns Nachricht haben über ihre gute Tat, denn damit nehmen wir ihnen ein Stück Freude. Die Jungen wandern morgen nach Heiligkreuz und haben Angst, daß es da allerlei absetzen wird. Um so größer wird ihre Überraschung sein, wenn sie in Heiligkreuz mit Jubel aufgenommen werden !« Das stimmte! Die Bauern nickten bedächtig »Ja !« dazu. Und der Herr Pastor schritt höchstpersönlich, wie so manche seiner Kollegen es in dieser Geschichte schon getan haben, zum Telephon und jagte die erbauliche Nachricht über die Heldentat der Obermauelsbacher Ausreißer durch den Draht nach Heiligkreuz.
Der Pfarrherr von Heiligkreuz hatte am Nachmittag des Tages, es war der 7. Oktober, die Obermauelsbacher Wallfahrt in seinem Dorfe willkommen geheißen. Gleich nach der feierlichen Segensandacht, als er mit dem Obermauelsbacher Konfrater in dem Pastorat bei einem erquickenden Glase Wein beisammen saß, hatte er von diesem schon erfahren, was die zwölf Meßbuben von Heiligkreuz für einen bösen Streich geliefert. Und der Obermauelsbacher Pfarrer hatte in Aussicht gestellt, daß diese schlimmen Kerle am nächsten Abend auch in Heiligkreuz zu erwarten seien. Die Art und Weise, wie die »verlorenen« Söhne dann wohl empfangen würden, war auch schon angedeutet worden. Nun sah auch hier die Sache anders aus. Da es schon spät war, wollte der Herr Pastor erst am nächsten Morgen bei der heiligen Messe den Obermauelsbachern sagen, was sie für prächtige Jungen hätten. Der Heiligkreuzer Seelenhirt aber meinte: Nun hätten die Ausreißer es verdient, obwohl sie nur eine kleine Zahl wären, daß auch sie wie jede Wallfahrt nach Heiligkreuz am Dorfeingang feierlich mit Kreuz und Fahnen abgeholt und zur Gnadenkirche geleitet würden. Der Obermauelsbacher Pastor sah ohnehin seine bösen Buben bereits in einem milderen Licht, war ganz gerührt und stimmte zu. Bei Büngelmanns in Hildenfeld lagen die drei Lebensretter in ihren behäbigen Betten. Willem und der dicke Emil waren wach und unterhielten sich leise, weil sie glaubten, der kleine Theo schlafe. »Ja, weißt du«, sagte der dicke Emil, »es war ja gemein, wie ich euch geärgert habe mit meinen Stänkereien. Aber ich war die ganzen Tage schlecht gelaunt. Ich habe Angst auf die Prügel, die wir bekommen werden, wenn die von daheim uns einmal gut in den Fingern haben. Einfach Drecksangst!«
»Meinst du, ich nicht ?« sagte Willem. »Ich muß mehr Angst haben als du, denn mich kriegen sie doch zuerst am Kanthaken, paß mal auf! Aber ich denk: auch das geht vorüber !«
»Ich bin jedenfalls froh«, sagte der dicke Emil, »daß die zwei Blagen ins Wasser gefallen sind, jetzt sind wir doch wieder gut Freund miteinander, das andere kommt dann auch in Butter !«
»Hätten wir bloß schon mal morgen abend !« seufzte Willem. Da meldete sich plötzlich auch der kleine Theo: »Wenn wir morgen nach Heiligkreuz kommen«, sagte er, »dann sorgen wir dafür, daß wir zuerst in die Kirche kommen. Am besten wär’s, wenn uns keiner merkte. Und dann gehen wir in der Kirche beichten. Nachher sagen wir den anderen dann: „Bitte, wir haben schon alles gebeichtet!“ und dann können sie uns doch nicht mehr so viel tun !«
Eine geraume Zeitlang schwiegen die beiden anderen nachdenklich. Schließlich meinte Willem: »Das ist gar nicht so schlecht, was du da meinst. Das müßten wir versuchen .« Schon witterte der Herr Hauptmann ein neues Abenteuer. Das konnte spannend werden, schöner als Indianerspielen. »Wir müssen also«, so meinte er, nach Heiligkreuz hineinschleichen. Erst, wenn wir aus der Kirche kommen,
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