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Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Titel: Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Seinsche
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andächtige Gemeinde traute ihren Ohren nicht, als ihr Pfarrer Gott den Herrn und seine Vorsehung pries, daß es diesen Jungen eingegeben ward, solcherart hinter ihren Eltern her zu wallfahrten. Denn auf diese Art und Weise hätte Gott es gefügt, daß in Hildenfeld zwei unschuldige Kindlein vor dem sicheren Tode gerettet werden konnten. Da rissen die Obermauelsbacher aber die Mäuler auf, und auch in ihren Herzen vollzog sich die große Wandlung. Aus zwölf heillos bösen Taugenichtsen wurden in wenigen Minuten tapfere Buben. Wo bisher unter den frommen Wallfahrern gramgebeugte Angehörige von Schlingeln waren, denen man den Verdruß ansah, den ihnen ihre ungeratenen Söhne machten, da saßen jetzt hocherhobenen Hauptes stolze Väter, Mütter oder Tanten, denen es ordentlich gut tat, endlich einmal eine andere, schönere Melodie zu hören.
    Die sechs »Auserwählten« aber, die als Ministranten im Chorgestühl hockten, und die sich immer wieder gratuliert hatten, daß sie nicht zu den »Verstoßenen« gehörten, obwohl deren Wallfahrt sicher höchst abwechslungsreich war, sahen sich allen Ruhmes über ihre Bravheit entkleidet. Was aber noch schlimmer war, sie fanden sich auch des letzten Vergnügens beraubt, das ihnen diese Wallfahrt noch zu bringen hatte, nämlich Zeuge zu sein, wie ihre im stillen beneideten Kameraden »den Lohn« für ihre Sonderwallfahrt verpaßt bekommen würden. Ja, ihre Gesichter wurden immer länger, als sie nun vernahmen, daß die Zwölf sogar in feierlicher Weise eingeholt werden sollten, wie jede andere Wallfahrt; nun waren sie sogar ausersehen, als Ministranten zu deren Triumph beizutragen. O ja, das war bitter! Die Heiligkreuzer rüsteten zum Empfang. Die Dorfstraßen wurden gekehrt, am Kirchturm guckte schon beim Mittagläuten die gelbweiße Kirchenfahne hervor, und als die Uhr langsam auf halb drei vorrückte, hingen die Dorfbuben von Heiligkreuz schon im Glockenstuhl und spähten wie Falken das Tal hinab, ob die zwölf Wallfahrer nicht in Sicht kämen. Der Pfarrer von Heiligkreuz legte Rochett und Rauchmantel um, vor der Kirche stand die Blasmusik, die weißen Mädchen und die Fähnchen waren bereit. Ein Glück nur, daß der Ackerboden nach all dem Regen zu naß und zu tief zum Pflügen war! So hatten die Bauern Zeit. Kurz vor drei waren ganz Heiligkreuz und die Obermauelsbacher am Dorfeingang um die beiden Pfarrherrn versammelt, um die seltsamste Prozession in Empfang zu nehmen, die je hier hinaufgepilgert war. Auch die sechs »Auserwählten« standen bereit in Chorhemd und rotem Rock. Mochten sie auch noch so sehr Gesichter schneiden, die nach Teilnahmslosigkeit aussehen sollten, sie konnten ihren Ärger nur mühsam verbergen.
    Langsam rückten die Uhrzeiger am Kirchturm weiter. Es schlug drei Uhr, es schlug auch viertel nach. Die Glocken hinter den Schallöchern schwiegen. Als es halb vier war, meinte der Pfarrer von Heiligkreuz: »Jetzt müssen sie bald kommen!
    Eine kleine Verspätung kann ja immer einmal sein !« Und mit neuer Erwartung guckten alle, die da vor dem Dorfe von einem Bein aufs andere traten, wieder den Weg hinab. Sie guckten vergebens. Rund ums ganze Zifferblatt war der große Zeiger am Kirchturm bald spaziert, und immer noch standen die Leute aus Obermauelsbach und Heiligkreuz vor dem Dorfe und warteten. Ihre Begeisterung kühlte sich dabei merklich ab, und die sechs »Auserwählten« harrten mit Spannung auf den Befehl ihres Pastors, das zwecklose Herumstehen aufzugeben und umzukehren. Aber so weit war es noch nicht.
    »Wenn die Lümmels im Turm wenigstens schon mal mit Läuten anfingen !« seufzte der Heiligkreuzer Pfarrherr, »da wüßte man doch, daß die Buben in der Nähe sind!«
    »Ich glaube«, ließ sich da sein alter Küster vernehmen , »die Lümmels sind gar nicht mehr im Turm. Hören Sie mal, Herr Pastor, was da für ein Radau im Dorf ist! Ich mein’, das wären die Lümmels .«

    »Könnte schon sein«, antwortete der Pastor, »gehen Sie schnell, und sehen Sie mal nach !«
    Der Küster trabte davon, die anderen warteten weiter.
    Wir wollen sie ruhig noch ein Weilchen warten lassen. Was war nun unterdes aus unseren »Verstoßenen« gewordene Um es gleich zu sagen: sie waren längst in Heiligkreuz! Und ihre erste Heldentat in diesem Dorfe war, daß sie die Läutebuben mordsjämmerlich verprügelten. Und das kam so:
    Den ersten Rosenkranz hinter Hildenfeld hatten die »Verstoßenen« ja nicht mit den rosigsten Gefühlen begonnen. Aber je weiter sie

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