Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt
dürfen sie uns zum ersten Male sehen !«
»Du, das ist aber nicht so einfach !« meinte der dicke Emil.
»Ne, einfach ist das nicht, aber spannend !«
»Ich glaube nicht, daß es geht !« zweifelte der dicke Emil beharrlich weiter. »Denk mal bloß«, sagte er, »das ganze Kaff ist voll Obermauelsbacher . Ehe du zwei Schritte im Dorf drin bist, bist du schon über ‘nen Obermauelsbacher gefallen, dann geht der Radau los .«
Auch der kleine Theo meinte: »Am Ende stehen sie sogar alle schon bereit, um uns gleich durchzuhauen !«
»Da könnten wir ja heimlich um das Dorf herumgehen und von rückwärts hereinkommen«, schlug Willem vor, »oder wie wäre es, wenn wir uns maskieren täten ?«
Es dauerte noch beträchtliche Zeit, bis die drei ihren Plan genügend durchgesprochen hatten. Das Ende der langen Überlegung war, daß man am nächsten Morgen zuerst einmal frischfröhlich auf Heiligkreuz loswallfahrten wolle. Sobald man das Dorf im Blickfeld habe, wolle man dann Spähtrupps ausschicken, heimlich spionieren und wenn eben möglich versuchen, ungesehen in die Kirche zu kommen. Hatte man alle ‘ Sünden einmal gebeichtet, dann konnte die gefürchtete Prügel nur mehr halb so schlimm sein. Ehe man so weit gediehen war, war es bald Mitternacht. Und dann schliefen auch die letzten »Verstoßenen« einen tiefen und friedlichen Schlaf...
Der Einzug in Heilligkreuz
So dämmerte denn nun der ereignisreiche 8. Oktober herauf. Spät am Morgen erst wurden die Obermauelsbacher Buben in den Betten von Hildenfeld wach. Das ganze Dorf hatte sie ausschlafen lassen, der 8. Oktober war für alle seine Bewohner ein halber Feiertag. Gott sei Dank war die Ernte gut drin und dann hat ein richtiger Bauer ja bekanntlich mehr Zeit. So hatte der Herr Pastor sogar mit der heiligen Messe gewartet, bis auch die Wallfahrtsjungen frisch und ausgeruht dabei sein konnten.
Selbst der heilige Petrus ließ diesen Tag ganz versöhnlich beginnen. Die Schleusen des Himmels waren und blieben abgestellt, wenn auch die Sonne noch einige Mühe hatte, durch die dicken Herbstwolken zu dringen und die bunte Erde ab und zu mit hellem Gold zu überschütten.
In den Herzen der elf Buben fing der Tag freilich nicht mit Goldglanz an. Dafür war bei ihnen eine Art »Gottergebenheit« eingekehrt, wie alle Lausbuben sie nach ihren Streichen haben, und die sich allzeit zusammenfassen läßt mit dem knappen Wort: »Mal kommen lassen!«
Andächtig versammelten sie sich mit den Hildenfeldern im Gotteshaus, beteten recht und schlecht ihr Morgengebet und ließen sich noch einmal die Hildenfelder Liebesgaben schmecken, um dann endgültig den Weg nach Heiligkreuz unter die Füße zu nehmen.
»Wenn ihr zurückkommt, schlaft ihr aber wieder bei uns !« sagten die Quartiersleute der Elf. Und der viel größere Rest des Dorfes forderte: »Wenn ihr zurückkommt, wird gewechselt, da sollt ihr mal bei uns schlafen !« Den sündigen Seelen unserer Lausbuben tat solches Liebeswerben richtig gut. Die drei Lebensretter hatten keinen »Pips« bekommen, dank Fliedertee und Wacholder. Wieder war das halbe Dorf zum Abschiednehmen versammelt. Als Willem, der Hauptmann, dem Herrn Pastor die Hand gab und »Auf Wiedersehen« sagte, meinte der Gottesmann: »So, und nun mutig voran! So gegen drei Uhr könnt ihr wohl an Ort und Stelle sein. Wenn ihr dann euren Eltern erzählt, was ihr hier für brave Kerle wart, dann werden sie sicher gnädig mit euch sein .«
»Wüßten sie es bloß mal schon !« seufzte Willem, und der Herr Pastor zwinkerte fröhlich seinen Pfarrkindern zu. Aber die Buben merkten nichts davon. Langsam nur setzten sie sich in Trab. Erst als sie mächtig im ersten Rosenkranz drinnen waren, wurde ihr sorgenvolles Herz ein wenig leichter. Der rote Philipp brummte vor sich hin: »Mag kommen, was will! Heute abend haben wir das Schlimmste überstanden .«
Kaum waren die Obermauelsbacher Jungen hinter dem Hause des letzten Hildenfelder Bauern entschwunden, da schritt der Herr Pastor noch einmal zum Telephon, um in Heiligkreuz anzusagen, daß die Buben wohl gegen drei Uhr dort oben am Gnadenort eintreffen würden. Noch hatten die Obermauelsbacher sich nicht recht erholt von der Überraschung, die sie am frühen Morgen bei der heiligen Messe in der Wallfahrtskirche erlebt. Da war der Herr Pastor zur Predigt auf die Kanzel gekommen und hatte seine Predigt gleich wieder mit der Wallfahrt Nr. 2 begonnen, die von Obermauelsbach nach Heiligkreuz unterwegs wäre. Und die
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