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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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sehen und wahre Loyalität erkannt. Dir ist Dankbarkeit entgegengebracht worden. Jetzt ist Alba tot. Aber, Felt, die Dankbarkeit und die Loyalität, sie sind nicht aus der Welt, noch nicht. Du kannst diese dunkle Nacht hier überstehen, du hast die Fähigkeiten dazu. Erst wenn die Liebe, die Hoffnung, die Möglichkeit, sich selbst und die großen Zusammenhänge zu erkennen,
für immer
und
für jeden
unauffindbar bleiben, dann sind alle von einer Finsternis bedroht, die zu tiefist und zu lange dauert, als dass ein Mensch sie überstehen könnte.«
    »Und wie   … wie wird das sein? Werden wir dann alle sterben? Alle, die ganze Menschheit?«
    »Das wäre zu hoffen, nicht wahr?«
    »Reva, ich   … ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Ich   … ich kann nicht mehr denken.«
    Er setzte sich. Er griff nach Anda. Umfasste den Griff, spürte die kühle Silberschnur, zog das Schwert ein Stück aus der Scheide und wartete auf den Trost, die Sicherheit, die ihm die Waffe geben konnte, immer. Er sah sein Spiegelbild im glänzenden schwarzen Stahl. Felt erkannte den Mann, die Augen, die ihn anblickten. Aber er war sich fremd, einen Atemzug lang glaubte er, seinen eigenen Namen vergessen zu haben.
    »Ich werde es nicht einmal bemerken«, sagte sein Abbild im Stahl. »Ich werde es hinnehmen, so wie ich immer alles hingenommen habe   … Ich werde nicht sterben und dennoch werde ich tot sein.«
    Das Bild wurde undeutlich. Sein Atem hatte sich auf dem kalten Stahl niedergeschlagen.
    Ein Junge, höchstens acht Soldern alt. Sein Name war Lerd gewesen. Er war in seinem eigenen Bett verhungert.
    »Reva, in meiner Welt hat es nie besonders viel Menschlichkeit gegeben.«
    »Du willst schon jetzt aufgeben? Felt! Du bist streng, vor allem mit dir selbst. Aber du bist nicht grausam. Du bist geduldig. Aber du bist nicht gleichgültig. Du hast deine Fehler, du bist ein Mensch! Solange die
Möglichkeit
in der Welt besteht, dass deine Fehler dir verziehen werden, kannst du ein Mensch bleiben.«
    Sie trat näher. Blickte auf ihn hinab, Felt konnte ihre Kühle spüren. Und ihre Überlegenheit. Sie brauchte kein Schwert.
    »Du willst wissen, wie es sein wird? Ob du bemerken wirst, wenn deine Menschlichkeit dich verlässt? Du ahnst es bereits und du liegst richtig. Du wirst dich daran gewöhnen. Denn eine Quelle stirbt nicht von heute auf morgen. Sie versiegt. Und mit ihrem allmählichen Versickern kommt der Menschheit etwas abhanden. Langsam. Unmerklich. Es gibt niemanden, der für den Verlust verantwortlich zu machen wäre, und deshalb gibt es auch keinen Protest, kein Aufbegehren. Im Gegenteil. Wer etwas einfordert, sich auf etwas beruft, das es nicht mehr gibt, der macht sich lächerlich.«
    »Lächerlich?«
    »Geh zurück nach Pram, stell dich vor Kandor, arm, wie du bist, ohne Haus, ohne Besitz. Und fordere sein Geld. Glaubst du, er wird es dir geben? Glaubst du nicht viel eher, er wird dich auslachen   – bevor er dich abführen lässt? Dich, den Räuber, der ihm seinen Besitz nehmen will?«
    »Das würde er, mit Sicherheit. Und er wäre im Recht.«
    »Ja, heute wäre er im Recht. Denn die Quelle versiegt und Sardes stirbt. Es gab in Pram eine Zeit, da wäre Kandor angeklagt worden   – weil er alles hat. Nicht du, der du nichts hast. Es war einmal Unrecht, zu behalten im Angesicht von Armut. Diese Zeiten sind vorüber.«
    Sie wandte sich ab und stieg wieder in den flachen Bach. Felt legte Anda beiseite.
    »Worauf werde ich, werden wir, verzichten müssen, wenn diese Quelle hier versiegt ist?«
    Sie antwortete nicht gleich. Sie beugte sich vor und nahm eine Handvoll Wasser aus dem Bach.
    »Bündnisse werden brüchig, auf Nachbarn ist kein Verlass mehr. Männer, Vertraute seit Kindertagen, wenden sich voneinander ab und erheben die Waffen. Die Freundschaft verlässt den Kontinent.«
    Sie drehte die Hand, ließ das Wasser herausrinnen und sah ihn an.
    »Felt, kannst du dir vorstellen, dass Marken dich hintergeht? Dass er etwas tun würde, um dir zu schaden? Kannst du dir Marken als deinen
Feind
denken?«
    »Niemals«, sagte Felt ohne Zögern, »Marken, niemals.«
    »Dann vergiss diese Antwort nicht. Erinnere dich an das, was du gerade gesagt hast, wenn die Zeit kommt.«
    »Notfalls erinnere ich ihn daran.« Das war Wigo. »Könnte ich jetzt aber vielleicht etwas Wasser bekommen? Einfach nur einen Schluck Wasser, sonst nichts, danke.«
     
    Wigo trank drei Becher, sein Durst war kaum zu stillen. Er erschien Felt jetzt doch blasser,

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