Zwölf Wasser Zu den Anfängen
großer goldener Ring, der am linken Zeigefinger steckte.
Das Aufblitzen dieses Rings brachte Sardes und die hinter ihm gehenden Undae und Welsen zum Stehen. Das Gemurmel erstarb und Sardes’ Bariton füllte den Saal, als er das Wort an den Fürsten richtete, der ihn keines Blickes würdigte. Mit einer knappen Verbeugung beendete er seine kurze Rede und trat zu dem Schmalschultrigen, der nun noch breiter lächelte und aufgeregt an seinem Bart zupfte. Die Undae traten noch weiter vor, doch die Offiziere wurden daran gehindert, ihnen zu folgen – Sardes’ Soldaten hatten die Spitzen ihrer Speere auf sie gerichtet. Marken schnaufte, Kersted leckte sich nervös die Lippen. Er sah nicht auf den Fürsten, sondern auf die junge Segurin.
Revas klare Stimme war wie ein kalter Wasserguss – alle Menschen im Saal hielten kurz den Atem an und die roten Flammen der Lichter flackerten, als wollten sie verlöschen. Der Fürst wandte den Kopf. Die Hohen Frauen schoben die Kapuzen zurück und noch in der Bewegung begannen sie, vor dem Thron in kleinen Schleifen auf und ab zu gehen. Dabei sprachen sie, abwechselnd, aber ohne Pausen. Jede schloss nahtlos an die Sätze der Vorrednerin an. Felt verstand kaum etwas von dem, was sie sagten, denn sie sprachen Pramsch. Von Quellen schien aber nicht die Rede zu sein, sondern von einer Reise. Der Vortrag der drei Undae war auch sonst sehr verschieden von dem Chor, der die große Grotte erfüllt hatte. Damals war Felt gebannt gewesen vom Klang der sich auffächernden undwieder verschmelzenden Stimme; er hatte kaum atmen können, nachdem das Grauen durch ihn hindurchgerollt war; die unfassbare Bedrohung hatte ihn und seine Kameraden gänzlich ausgefüllt. Die Worte der Botschaft hatten sich in ihrer aller Gedächtnis gegraben, dieses
Etwas geht vor
und
So soll es sein, so ist es nicht mehr
, und immer wieder das drängende
Eile!
Aber vor allem war es das Gefühl des drohenden Unheils gewesen, das sie überwältigt und zum sofortigen Aufbruch getrieben hatte.
Davon war hier, vor dem Fürsten, nichts zu spüren. Zwar waren alle Augen auf die Sprechenden gerichtet, jeder hörte aufmerksam zu, aber auf den Gesichtern zeigte sich keine Furcht, nicht einmal Sorge. Nur die roten Lichter zuckten unruhig. Es war, als verstünde das Feuer eher, um was es hier ging, als die Menschen. Das tiefrote Züngeln erschien Felt zunehmend lebendig, es war mehr als Feuer, war ein Wesen, schön, aber gefährlich, eingesperrt in Glas.
Die Undae ließen ihren Sprechstrom langsam verebben, bedeckten ihre kahlen Köpfe wieder, und als sie sich zu Sardes gesellten, beruhigten sich die roten Flammenlichter. Der alte Soldat war fast so groß wie ein Welse und stand bewegungslos da, während der schmale Mann neben ihm seine Hände nicht still halten konnte. Er verfolgte die Undae mit seinen Blicken und schien sich nicht nur jede ihrer Bewegungen, sondern auch jedes Wort ihrer Rede eingeprägt zu haben. Welche Rolle spielte er an diesem Hof?
Nachdem die Undae geendet hatten, richtete sich das allgemeine Interesse nun auf die Offiziere. Felt spürte, wie Marken neben ihm den Rücken durchdrückte und Haltung annahm. Aber wie ihnen eingetrichtert worden war, durfte er nicht sprechen, bevor der Fürst ihm nicht das Wort erteilte. Und auch wenn weder Sardes noch die Hohen Frauen sich um die Etikette geschert hatten, schien es angemessen, dass sich die Welsendaran hielten. Doch der Fürst schwieg. Er wandte wieder den Blick ab, schlug das andere Bein unter und sah zu den Fenstern. In der langen Pause, die nun entstand, füllte sich der Thronsaal mit Macht. Mit der Macht des Fürsten, in dessen Schweigen niemand mehr hineinzusprechen wagte und der alle Anwesenden zum Ausharren verdammte. Wenn es ihm gefiel, könnte er den ganzen Abend sitzen bleiben und das farbige Glas betrachten. Es gefiel ihm sehr.
Felt begann sein Bewusstsein zu teilen, es geschah wie von selbst: Der Teil, der angreifbar war, der etwas
wollte
– nämlich einen Auftrag ausführen, ein Anliegen vorbringen, die Zusammenhänge verstehen oder doch wenigstens das, was die Undae gesagt hatten –, verabschiedete sich und ging auf den Berg, den Wall entlang und in die Endlosigkeit des Bersts. Der andere Teil war die Wachsamkeit, so lange geübt, dass sie instinktiv geworden war. Sie wanderte über die angespannten Gesichter der Höflinge, registrierte Sättigung und Schwäche, nahm die Zerbrechlichkeit der Seguren wahr, sah, dass die ältere Frau den
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