Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Reva.«
Sie standen auf. Felt umfasste Babus Hand, drückte fest zu. Babu bemerkte erst jetzt, dass Felt sie gefesselt hatte.
»Wir sind gebunden. Wir gehören zusammen.«
»Zusammen«, wiederholte Babu. Er konzentrierte sich, er versuchte es, er hatte begriffen, was Felt wollte und worauf es ankam.
»Was will ich?«, fragte Felt.
»Reva«, sagte Babu.
»Was willst du?«, fragte Felt.
»Reva«, sagte Babu.
Ununterbrochen fragend und antwortend verließen sie die Stille hinter der Steinsäule, traten wieder in den Wind und ließen sich von ihm zurück in den Wald schieben.
Das Tempo, das Felt vorlegte, wurde Babu auf Dauer zu hoch. Damals, zu einer anderen Zeit, als Felt für ihn noch der fremde Kämpfer gewesen war und dem Wolf gegenübergestanden hatte, hatte sein Wille dafür gesorgt, dass er nicht weglief – jetzt ließ er ihn marschieren. Babu sah das scharfe Profil, den strengen Zug um den schmalen Mund, die verhärmten Wangen. Dieser Mann bestand aus nichts als seinem Willen. Was wollte er?
»Reva«, sagte Babu. Dann stolperte er über eine Wurzel und sie schlugen beide hin.
Felt kam schnell wieder auf die Füße. Babu wollte liegen bleiben. Gebückt über Babu stehend, fragte Felt: »Was willst du?«
»Ausruhen«, sagte Babu.
Felt packte ihn beim Kragen, zog ihn hoch.
»Nein. Du willst
Reva
. Sag es. Was willst du?«
»Reva.«
Er ging wieder los und Babu ging mit. Felt hatte die Fessel zu eng gebunden, Babus Hand war taub. Genauso gefühllos wie sein Kopf. Seit Juhut sich verabschiedet hatte, war der Kopfschmerz verschwunden – ein untrügliches Zeichen für die Abwesenheit des Falken. Zurückgeblieben war eine Leere, ein Hohlraum, der sich mit Bitternis füllte. Babu war sich so sicher gewesen, dass Juhut ihn niemals verlassen würde. Er hatte den Schmerz ertragen, die Bürde, die Asshan ihm auferlegt hatte, als er ihm das Ei überreichte, und das war nur möglich gewesen, weil die Last durch Vertrauen erleichtert worden war. Ein Vertrauen, unermesslich und unerschütterlich, ein aus Stein gemauertes Gewölbe in seinem Innern, das sich hoch über der lodernden Kugel des Schmerzes spannte und Babu aufrecht hielt. Jetzt war der Schmerz weg, jetzt war Babu verlassen und der Bau geriet ins Wanken, die Säulen bekamen Risse, die Steine bröckelten.
Wieder stürzte Babu und dieses Mal blieb er liegen.
Nuru weint nicht, sie verbirgt ihren Kummer hinter Patzigkeit. Gerade deshalb, gerade weil sie nur den Mund verzieht und sonst nichts, will Babu sie trösten und alles erklären.
»Ich will nichts hören«, sagt sie. »Wer so dumm ist, in den Boirad zu gehen, ist kein Mann für mich.«
»Wie meinst du das? Dass ich kein Mann bin? Oder dass ich einer bin, den du nicht willst?«
»Weder noch. Nein. Beides.«
»Nuru, liebst du mich?«
»Nein.«
»Gut. Ich dich auch nicht.«
Sie zuckt nicht einmal mit der Wimper. Sie sagt: »Wir müssen uns aufteilen. Wir müssen auch die Herde teilen. Oder sind die, die hinter dir her sind, genauso dumm wie du?«
Der große Mann hielt Babus Hand umklammert und zog ihn mit sich. Er ging viel zu schnell. Babu versuchte seine Finger zu lösen, aber der Mann fasste nach. Blieb stehen. Sah Babu an. Sah auf ihre Hände. Sie waren gefesselt.
»Wer seid Ihr?«, fragte Babu. »Und warum sind wir gefesselt?«
Der Mann zog die Augenbrauen zusammen und sagte etwas in einer Sprache, die Babu nicht kannte. Babu wollte mit der Linken seinen Dolch aus dem Gürtel ziehen, es wäre ein Leichtes, damit die Fessel zu durchtrennen. Wer auch immer sie aneinandergebunden hatte, war dumm genug gewesen, ihm die Waffe zu lassen.
Der Mann hatte auch eine Waffe, und was für eine. Die Spitze des langen schwarzen Schwerts war auf Babu gerichtet, aber der Ausdruck im Gesicht des Mannes war keine Drohung. Eher eine Frage. Oder sogar eine Bitte. Er sagte wieder etwas.
»Ich verstehe Euch nicht«, sagte Babu.
Der Mann ließ sein Schwert sinken, steckte es aber nicht weg. Er sah sich um, wollte er wieder weiterrennen? Dann entdeckte der Mann etwas am Waldboden, machte einen Schritt, zog Babu mit. Stocherte im Laub, hob mit der Schwertspitze vorsichtig etwas hoch. Einen Käfer, genauso schwarz glänzend wie die Klinge. Das Insekt trug ein Geweih, das größer war als es selbst. Es verharrte einen Augenblick, dann krabbelte es erstaunlich schnell über die flache Seite der Klinge und über die Griffstange den Arm des Mannes entlang und erklomm das Schulterstück. Dort
Weitere Kostenlose Bücher