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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Die Käfer torkelten durchs nasse Laub und konnten nicht voneinander lassen. Felt kippte zur Seite, war auf allen vieren, erhob sich zum Stehen, bekam aber den Rücken nicht gerade. Er machte einen Schritt, stechende Schmerzen, er rieb sich die Knie und humpelte weiter, hatte wohl zu lange gesessen. Laufen würde helfen, Laufen half immer. Er bückte sich nach seinem Helm, ein Reißen im Rücken. Langsam machen, dachte Felt. Er ging vorsichtig in die Knie, stützte sich am Baumstamm ab, angelte sich den Helm, setzte ihn auf und schloss mit steifen Fingern den Kinnriemen. Er langte nach der Tasche, ohne zu wissen, was darin war. Aber wenn sie da lag, würde sie wohl ihm gehören und dann wäre es ratsam, sie mitzunehmen. Sicham Stamm festhaltend, richtete er sich wieder auf. Irgendetwas war gewesen mit diesem Stamm. Er schaute nach oben. Die rissige Borke glich einer zerklüfteten Felslandschaft, der Horizont verschwand im Dunst. Was für eine Aussicht, was für ein Überblick. Felt sah tiefe Schluchten und schartige Gipfelketten, so hoch oben war er noch nie gewesen, so weit hatte er noch nie schauen können. Ihm wurde schwindelig, sein Nacken tat weh. Er senkte den Kopf und begriff: von wegen oben, er stand unten, zwischen Wurzeln.
    Und da drüben stand noch jemand.
    »Verzeihung«, sagte Felt. »Kann ich Euch helfen?«
    Die Gestalt rührte sich nicht, antwortete nicht, ein verängstigtes Kind, das sich im Wald verirrt hatte. Nein, eine Frau, in Gedanken versunken. Aus einem Impuls heraus wollte Felt sie aufheben, aber er hielt sich zurück; er war kein Mann, der sich an einer Frau vergreift.
    »Braucht Ihr etwas? Habt Ihr Euch verirrt?«
    Keine Regung.
    Ihm kam ein Gedanke.
    »Ist das hier vielleicht Eure Tasche?«
    Keine Antwort. Ihm selbst kam die Tasche mit einem Mal so fremd vor, dass er sicher war, sie konnte nicht ihm gehören. Er wusste ja nicht einmal, was darin war, das war der Beweis. Er hing der Frau die Tasche um, doch sie zeigte keine Reaktion.
    »Ich werde jetzt gehen«, sagte er, und als auch diese Ankündigung ungehört verklang, wandte er sich ab, ließ die Fremde stehen und ging.
     
    Felt marschierte und eine Zeit lang ließen alle Schmerzen nach. Dann aber spürte er eine Unsicherheit in den Knien, eine Müdigkeit im Rücken. Er fühlte sich beklommen, wie halb unter Wasser, der Nebel drückte ihm auf die Brust. Er wollte gern einenAugenblick verschnaufen. Dort kam er ohnehin nicht weiter, dort standen die Bäume zu dicht. Aber nein, das waren keine Stämme: Aus dem Nebel formte sich ein Haus, die Mauern im gleichen Grau wie die Bäume. Ohne anzuklopfen, öffnete Felt die schwere Tür und trat ein.
    Mitten in der dunklen, nur von einem Herdfeuer erhellten Stube stand eine Frau. Ihr schlichtes Kleid reichte bis zu den Knöcheln, sie hatte ein Tuch über die Schultern gelegt. Ihre Haare waren lang und gewellt und schimmerten rötlich. Sie war groß und schlank, aber unter dem Stoff des Kleides zeichnete sich deutlich ein runder Bauch ab.
    »Felt!«, sagte sie und lächelte ihn an. »Da bist du ja endlich.«
    »Da bin ich ja«, sagte Felt.
    »Komm, setz dich. Du bist ganz durchgefroren.«
    »Ganz durchgefroren«, sagte Felt.
    Sie trat zu ihm, löste den Kinnriemen, nahm ihm den Helm ab. Er setzte sich auf die aus glatten Steinen gemauerte Bank am Ofen. Mit einem Mal war er sehr hungrig.
    »Hier«, sagte die Frau und reichte ihm eine Schale, aus der es dampfte. »Aber trink nicht so hastig.«
    Felt hielt die heiße Schale in beiden Händen, pustete. Die Frau stocherte im Ofen und legte ein Holzscheit nach, dann setzte sie sich neben ihn und faltete die Hände über ihrem Kugelbauch.
    »Ristra legt ihr Schwert nicht mehr aus der Hand. Stell dir vor, sie hat gesagt, sie will Soldat werden   – wie ihr Vater.«
    »Wie ihr Vater.«
    »Aber dann hat sie gesagt«, die Frau strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, »sie will vielleicht doch lieber Prinzessin sein und dann Königin, wenn sie groß ist.«
    Sie lachte. Felt pustete in die Schale.
    »Oh!« Sie richtete sich auf, fühlte den Bauch. »Felt, er bewegt sich, er tritt, fühl mal.«
    Er stellte die Schale ab, sie nahm seine Hand, legte sie sich auf den Bauch. Ein kleines Beben und dann, ganz deutlich, zwei Stöße, dann ein dritter, dann nichts mehr.
    »Das war’s«, sagte sie und lehnte sich zurück. »Jetzt ist wieder Ruhe. Das wird ein Junge, ich bin mir ganz sicher.«
    »Ein Junge.«
    »Ein großer, starker Junge«, sagte sie müde. Dann,

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