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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Unsichtbare Hände zerrten an der Unda. Aber als der Griff des Windes sie hochheben wollte, stand Reva in einer Welle aus schäumendem Wasser. Der Sog hielt sie fest, die Kraft des Wassers zog Reva zum Brunnen   – sie wurde mitgenommen wie ein Stück Treibholz von der Brandung. Die Welle brach an der steinernen Wulst und das Wasser spülte die Unda ins Becken, wo sie unterging. Der Boden um den großen Brunnen herum war nun wieder vollkommen trocken und der Wind wusste nicht, wohin mit sich, tobte haltlos über das weite Rund des Platzes.
    Ein Tropfenschweif sprang aus einer der sieben Schalen in die benachbarte und hüpfte weiter wie ein Frosch von Blatt zu Blatt. Ein zweiter löste sich aus dem Wasserspiegel und begann, langsamer als der erste und gegenläufig zu ihm, von Schale zu Schale zu springen. Immer mehr zierliche Bögen entstanden zwischen den Wasserschalen und allmählich begann das Geräusch bewegten Wassers im Brausen der Luft hörbar zu werden. Das rhythmische Plitschen und Platschen setzte sich mehr und mehr durch, wurde vielschichtiger, lebendiger, und schließlich legte sich das zu einem sanften Summen gedämpfte Rauschen der Luft wie ein Grundton unter die Melodie des Wassers. Der Wind war eingeschlafen.
    Revas blanker Schädel tauchte langsam auf, immer noch glühten die Narbenornamente. Sie stieg aus dem Becken und begann den Brunnen mit seinem Wasserspiel zu umkreisen. Dabei richtete sie ihre Gedanken auf Felt. Reva wartete auf den Widerhall seiner Sehnsucht. Sie konnte dieses Gefühl in Felt aufstellen wie eine Kerze, deren Licht ihn zu ihr führte. Aber da war kein Widerhall, sie fand Felt nicht. Wie viel Zeit war vergangen, seit er sie gerufen hatte? Nicht viel, aber vielleicht dennoch zu viel   …
    Ein Ruf zerriss Revas Gedanken. Kein Echo, nicht Felt.Sie hob den Kopf. Der Falke. Juhut hatte gerufen, und als Reva in den Nachthimmel blickte, sah sie auch, warum.
     
    Sie stürzten. Auf seinen unendlich langen Armen hatte der Wind Felt und Babu hoch hinaufgetragen. Nun aber war er besänftigt. Nun hatte er losgelassen. Und nun fielen sie.
    Wie ein trunkenes Tanzpaar trudelten die Männer nah beieinander durch die Luft. Diesen Sturz konnten sie nicht überleben. Wenn sie so, ohnmächtig, wie sie waren, ins große Becken fielen, würden sie sich die Knochen, die Hälse brechen.
    Reva griff nach den beiden   – nicht mit ihren, sondern mit zwei Wasserarmen, die sich aus dem Becken den Fallenden entgegenstreckten. Aber es half nicht viel, nur ein tödlich scharfer Wasserstrahl hätte diesen Sturz abfangen können. Die Augen der Unda folgten den sich rasend schnell nähernden Männern und ihre Hände drehten sich wie Kreisel: Sie überzog Felt und Babu mit Eis. Das Wasser spritzte hoch auf, als zwei schwere Eisblöcke kurz nacheinander ins tiefe Becken des Brunnens schlugen   – einen halben Schritt von der steinernen Wulst entfernt.
     
    So kalt war ihm noch nie gewesen und ihm war schon oft kalt gewesen. Felt zitterte unkontrolliert, er konnte kaum Luft holen, seine Zähne schlugen aufeinander und seine Beine schlugen auf Stein. Das war gut. Zittern war gut. Zittern bedeutete, dass er nicht tot war. Sondern dass sein Körper, dass jeder einzelne Muskel daran arbeitete, auf eine Temperatur zu kommen, die Felt die Gewalt über sich selbst zurückgeben würde. Er spürte, wie ihm der Helm abgenommen wurde. Vor seinen zuckenden Lidern erschien Revas Gesicht. Felt erschrak. Die Narben um ihre Augen und auf ihrer Stirn pulsten und traten hervor, darunter war ihr Antlitz grau und eingefallen wie daseiner Toten: hohle Wangen und brüchige Lippen, zum Zerreißen gespannt über den Zahnreihen. Die Augen lagen tief in den Höhlen, waren erloschen und so glanzlos, als wären sie ausgetrocknet. Ihr Lächeln war ein grauenhafter Anblick.
    Ein Windstoß fuhr Felt in die nassen Haare, strich über ihn hinweg und das Zittern steigerte sich zu einem Schüttelkrampf. Revas Totengesicht verschwand aus Felts Blickfeld.
    »Ich habe nun endgültig genug von dir! Du bleibst, wo du bist!« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Krächzen.
    Mit Mühe drehte Felt den Kopf, seine Schläfe schlug auf den Boden, verschwommen sah er Revas gebeugten Rücken vor einem großen Wasserfall, nein, einem riesigen Brunnen. Sie tunkte ihre Hände ins Wasser, hob die Arme. Dazwischen hatte sich ein Tuch gespannt, ein glitzerndes Gewebe, sie warf es weg, es wehte durch die Luft wie ein zarter Schleier   – wohin, das konnte Felt

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