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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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man Gewalt den Rücken kehrte und in Hassgesänge nicht einstimmte.
    Zwei Dhurmmets zerrten Marken vom Pferd und stießen ihn, die Hände auf den Rücken gefesselt, über schmale Planken an Deck eines Segelschiffs. Die Seeleute begrüßten ihn mit Flüchen und Fausthieben, die beiden Dhurmmets gingen dazwischen. Ein Schlag mit dem Stiel der Axt streckte einen Seemann nieder. Ein heftiges Wortgefecht zwischen der Mannschaft und den Dhurmmets schloss sich an. Marken begriff erst nicht, um was es ging   – es war ihm auch gleich, so wie ihm alles gleich war seit dem Urteil Hardhs   –, aber dann verstand er es doch: Sie wollten, wenn überhaupt, Soldaten transportieren, keinen Verbannten, über den man die Latrineneimer geleert hatte. Mit Marken war kein Ruhmesblatt zu gewinnen. Viele Schiffe, diesem ähnlich und mit großen, viereckigen Segeln, die sich an quer zu den Masten hängenden Stangen blähten, kreuzten im Hafenbecken und warteten auf einen freien Anlegeplatz. Und viele Soldaten waren ebenfalls hier und sammelten sich zu kleinen Kampfverbänden, gingen in Gruppen und Zügen geordnet an Bord. Die Kwother bereiteten einen Angriff auf Gham-Sarandh vor, übers Meer.
    Es war jetzt schon klar, dass die Dhurmmets sich gegen die Seeleute, immerhin mehr als zwanzig Mann, durchsetzen würden. Wieder fingen sich zwei, die besonders laut brüllten, Schläge mit dem Axtstiel ein. Zu hart durften die Dhurmmets nicht vorgehen, denn diese Männer sollten segeln, nicht sterben. Sie sollten Marken wegschaffen. Wohin? Er wusste es nicht. Es war ihm gleich.
    Marken lehnte sich gegen eine Holzkiste, die salzige Luft war kühl auf seiner nackten Haut. Er sah hinaus über dunkelgraue, kabbelige Wellen. Dies also war das Meer, hier war der Kontinent zu Ende. Seltsam, dass sein Traum nun doch wahr werden sollte und er diese Küste, diese Welt verlassen würde. Leider nicht für immer. Wie schnell konnte man ertrinken? Wäre es nicht eine gute Gelegenheit, sich über Bord zu stürzen? Als hätte der Dhurmmet Markens Gedanken gelesen, drehte er sich zu ihm und trat ihm die Beine weg. Marken schlug lang hin, spürte, wie ihm auch die Füße gefesselt wurden. Nun hatte er keine Möglichkeit mehr, in die andere Welt zu fliehen. Ob Kersted und Felt mehr Glück hatten als er? Ob sie die Gelegenheit bekämen, ehrenvoll zu sterben? Er musste wieder an Strommed denken, an sein großes, stilles Herz in der offenen Brust.
    Er ist gestorben als der, der er war.
    Er hat einen guten Tod verdient, Smirn. Denn er hat dich beschützt. Ich nicht.
    Marken drehte sich auf den Rücken, so gut es ging, und blickte in den leeren, farblosen Himmel über Kwothiens Hauptstadt. Smirn zu verlieren war eine Welt verlieren. Ein kleiner schwarzer Fleck flatterte durchs Grau, dann noch einer, dann wogte ein ganzer Vogelschwarm in Markens Blickfeld hinein. Die Formation zog sich zu einem breiten Band auseinander, verdrehte sich, pumpte sich zu einer dicken Wolke auf. Das sind Merren , sagte eine Stimme in Markens Erinnerung, sie sammeln sich, um nach Süden zu ziehen und dort den Firsten zu verbringen . Er war noch ein Kind gewesen und das erste Mal den Lendern überin der Lagerstadt, als er die Vogelschwärme am Himmel gesehen hatte. Angefüllt mit dem sanften Licht der pramschen Lendernwiesen war er gewesen; große, springende Insekten hatte er gefangen. Die Hüpfer zirpten schrill, und wenn man genügend fing und zum Beispiel unter einen Stahlhelm setzte, konnte man einen ordentlichen Lärm machen, der den mitgereisten Soldaten den letzten Nerv raubte. Diese Zeit war lange vorbei. Nun war es still geworden. Marken hob den Kopf, richtete sich zum Sitzen auf. Es war still geworden?
    Dhurmmets und Seeleute hatten aufgehört, sich gegenseitig anzubrüllen. Denn Menschen und Dämonen fürchteten sich vor Hardh.
    Der König war zu Pferd zum Hafen gekommen. Sein Ross war ein prächtiges Tier, ebenso grau wie der Himmel, in den Marken geblickt hatte. Es stand ruhig an der Kante der Kaimauer, sein Reiter blickte über alle hinweg hinaus aufs Meer. Marken war vollkommen unwichtig für ihn geworden, er sah nach Gham-Sarandh. Hardh wurde von einigen hochrangigen Dhurmmets eskortiert; sie waren ebenfalls zu Pferd. Ein paar saßen nun ab. Und Marken fuhr der Schreck in die Glieder; er wäre aufgesprungen, wenn er gekonnt hätte.
    Sie führten Smirn mit sich.
17
    Die Unda hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und ging langsam über die Planke an Bord des Schiffs, gefolgt

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