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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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Pfad folgen, den das Feuer vorgab. Wände und Boden der Halle waren mit großflächigen Mosaiken bedeckt, an denen gewiss mehrere Generationen gearbeitet hatten. Die kleinen, im Feuerschein glänzenden Steinchen waren nicht zu bildhaften Szenen gelegt, sondern zu komplexen Mustern. Die Mosaike wirkten aber nicht schmückend oder waren einfach schön anzusehen, sondern schienen mit Bedeutung geradezu aufgeladen zu sein: Jeder Schlenker, jede Linie, jede Zacke oder Rundung barg einen dunklen Sinn. Es war Marken, als wandele er durch ein riesiges Buch mit alten, magischen Schriftzeichen.
    Der Thron der Kwother war aus einem einzigen großenSteinquader gemeißelt; er war um einige Stufen erhöht, wuchtig, kantig und für die Ewigkeit gemacht wie alles in diesem Land. Auf seine Axt gestützt, erwartete dort Hardh seinen Gefangenen. Er war nicht allein. Mehrere hundert Dhurmmets warteten mit ihm. Sie standen dicht gedrängt hinter und neben dem Thron, hockten am Boden, hatten sich an Säulen gelehnt oder gegen die Wände des Saals. Das Licht aus den Feuerrinnen strahlte sie von unten an und flackerte über Brustschilde, dunkle Gesichter und glänzende Münzen, angenäht über fiebrigen Augen. Marken hatte das Gefühl, auf einen Block aus Boshaftigkeit zuzugehen. Dann hob Hardh sein ergrautes Haupt und schaute ihn an.
    Die Flammen in den Rinnen schossen zwei Mann hoch empor. Marken sah nur noch loderndes Feuer, er stand in der Hitze von Hardhs Blick, der Rest der Welt war darin verglüht.
    Alles war verloren.
    Alle Mühe war umsonst.
    Jeder Tod war vergeblich gewesen. Dieser Macht konnte niemand etwas entgegensetzen. Marken fiel auf die Knie.
    »Welse, willst du dienen und Seite an Seite mit König Hardh in die Schlacht reiten?«
    Hardhs mit tiefem Grollen unterlegte Stimme schien direkt aus dem lauten Flackern der hohen Flammen zu kommen. Marken antwortete nicht. Er versuchte zu atmen. Er klammerte sich an seinen Namen, um in diesem Inferno nicht zu vergessen, wer er war.
    »Welse, willst du den Sieg nach Hause bringen?«
    So musste es gewesen sein, damals, vor mehr als hundert Soldern. Umgeben von Flammen, eingeschlossen in eine unerträgliche Hitze und überwältigt von Verzweiflung, waren die Welsen verbrannt. So würde es wieder geschehen. Marken spürte, wie ihm Tränen über die Wangen rannen. Er antwortete nicht.
    »Welse, willst du dein Volk in die Neue Zeit führen?«
    Marken antwortete nicht. Er weinte. Weinte um sein Volk und um alle Völker, die vom Angesicht des Kontinents verschwinden würden. Er wusste ja, was blieb: Asche.
    Das dämonische Grollen in den Flammen erhob sich zu einem Brüllen: »Welse, unterwirf dich mir und dem Feuer!«
    Marken flüsterte, zu mehr war er nicht in der Lage. Die Tränen erstickten seine Stimme, die heiße Luft schien seine Worte zu verbrennen, kaum dass sie seine Lippen verließen. Es war unwichtig, ob die Worte gehört wurden. Es war aber wichtig, dass Marken sie aussprach.
    »Nichts, was du mir bietest, führt zu einem guten Ende. Wenn die Zeit der Menschen auf dieser Welt vorüber ist, dann will ich nicht bleiben. Ich will nicht als Dämon über Dämonen befehlen. Ich bin nicht dein Bruder, ich strebe nicht nach Macht. Ich bin kein König, ich bin Soldat. Ich habe eine Herrin, der ich diene, ich brauche keine andere. Du kannst mich nicht verführen, Dämon. Du kannst es nicht. Ich wähle Menschlichkeit. Also wähle ich Sterblichkeit.«
    Marken hatte mit einer entsetzlichen Strafe gerechnet. Er hatte geglaubt, die allergrößte Pein ertragen zu müssen, wenn er sich Hardh widersetzte. Er hatte sich auf Qualen vorbereitet, die ihm den Verstand rauben würden. In der Nacht hatte er sich von allem verabschiedet. Er war darauf gefasst, dass seine Seele brannte.
    Aber all das geschah nicht.
    Stattdessen fiel das Feuer in die Rinnen zurück. Marken hob den Kopf. Hardh war aufgestanden, die Axt in der Hand. An seinem Gürtel hing Markens Schwert. Mit abschätzig zugekniffenen Augen grinste der Dämonenkönig auf Marken herab.
    »Du willst sterben? Ich schenke Tod keinem. Dhurmmets wissen: Tod ist Lohn, nicht Strafe.«
    Ein zustimmendes Knurren kam von den Kwothern im Saal. Wer am Boden gehockt hatte, war aufgestanden, und wer gelehnt hatte, war nun gerade aufgerichtet. Die Dhurmmets waren angespannt wie Raubtiere vor dem Sprung. Hardh zeigte mit der Axt am lang gestreckten Arm auf den knienden Marken.
    »Du, Welse, wirst große Strafe leiden, größte von allen: Du darfst nicht

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