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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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schwarze Schatten am schneehellen Grund des Tals und vereinzelt an den Hängen standen. Sie hatten ihre Blätter bereits abgeworfen und das Mondlicht fiel durch die fein verzweigten Äste wie durch ein Sieb. Die Stämme der Bäume schienen Babu sehr dick und knotig zu sein, die Kronen hingegen leicht und weit in die der Nachbarn hineinreichend   – er wusste zu wenig von Bäumen, um etwas Besonderes darin zu sehen. Dennoch konnte er nicht wegschauen, sein Blick hatte sich im Gewirr der Äste verfangen wie ein Tuch am Dornstrauch.
    Nun bemerkte er, dass sie sich bewegten.
    Langsam zwar, und wie tastend, aber die kleinen Ästchen bewegten sich, obwohl es vollkommen windstill war.
    »Sie wachsen«, hauchte Teleia ihm ins Ohr. »In solchen Mondnächten macht ihnen das Wachsen besondere Freude, kannst du es hören?«
    Ja, nun hörte er es auch: Das Tippen und Tappen der sich berührenden Zweige drang aus dem Tal zu ihnen herauf; es klang nicht wie das Aufeinanderschlagen von Holz, sondern eher wie Regen oder als ob man mit den Fingern auf nackter Haut trommelte. Es war ein eigenartig bezauberndes, fröhliches Geräusch. Teleia fasste Babu an die Schulter, um ihn zum Weitergehen aufzufordern. Er wäre gern noch etwas geblieben, folgte ihr aber wieder zum Bachlauf und weiter bergan.
    »Sie wachsen im Firsten, wenn sie von der Last ihrer Früchte und Blätter befreit sind«, erzählte Teleia im Gehen. »Oh, was haben sie mir viele Nüsse geschenkt in diesem Solder! Die Sedrowes sind mein ganzer Stolz; wusstest du, dass es sie nur hier gibt, nur in diesem Tal? Nicht einmal in Ingrien sind sie heimisch geworden und dort wachsen ansonsten die schönsten und wunderlichsten Bäume des gesamten Kontinents.«
    Babu konnte das Lächeln in Teleias Stimme hören. Das Licht des Mondes ließ ihre hellen, glatten Haare weiß glänzen. Sie blieb stehen und drehte sich zu Babu um.
    »Ich liebe meine Lindbäume und sie lieben mich. Ist das nicht schön? Ich finde das sehr schön, so soll es sein. Alles ist leicht, wenn man wiedergeliebt wird.«
    »Ich finde vor allem, dass du ein ganz außergewöhnliches Mädchen bist«, sagte Babu.
    »Ich hoffe, du hast etwas Nettes gesagt«, sagte Teleia, überlegte einen Augenblick und ging dann weiter. »Ja, es klang nett.«
7
    Das Badehaus war eine schlichte runde Hütte, ebenso wie die Mühle strohgedeckt und aus Feldsteinen gemauert. Es befand sich in unmittelbarer Nähe des Bachlaufs und von dort kam auch das Wasser: Teleia öffnete zwei kleine Wehre und schon strömte es über einen hölzernen Zulauf durch die Hüttenwand in ein hüfthohes Becken. Babu schauderte beim Gedanken, in dieses eisige Wasser zu steigen. Für so etwas fühlte er sich zu müde und wund. Teleia hatte seinen zweifelnden Blick bemerkt. Mit einem Ruck setzte sie ihre Lampe auf einem Sims ab.
    »Warum sagst du eigentlich nichts, wenn dir etwas missfällt?«, fragte sie und fügte gleich die Antwort an: »Weil ichdich nicht verstehe, ich weiß. Aber ich glaube, du behältst auch sonst zu viel für dich. Du kommst mir so schwer vor … so belastet. Habe ich recht? Dann nicke, ich bitte dich, das immerhin verstehe ich.«
    Babu nickte.
    »Gut. Umso besser wird dir das Bad tun. Und nun hilf mir, die Steine aus dem Ofen zu holen. Man kann sich viel Kummer ersparen im Leben, wenn man zur rechten Zeit einen Ofen anheizt.«
    Während das Wasser einlief und sie mit großen Zangen heiße Steine zischend in die Mitte des Beckens fallen ließen, erzählte Teleia, dass sie jede Nacht bade. Anschließend müssten die Steine wieder in den Ofen gelegt und das Feuer neu entfacht werden, selbst im Lendern sei das Wasser zu kalt, es käme hier gleich neben dem Badehaus aus dem Fels. Vom Schlafen sagte sie nichts.
    Teleia schloss die Wehre, Babu hielt eine Hand ins Wasser. Es war nicht heiß, nur lauwarm. Angenehm, so wie eigentlich alles, was mit diesem Mädchen zu tun hatte. Aber als sie nun begann, sich zu entkleiden, wurde die Situation Babu mit einem Mal unangenehm. Was tat er hier eigentlich?
    »Schon wieder schweigst du, obwohl du reden solltest«, sagte Teleia und knöpfte sich ungerührt weiter ihre Bluse auf. »Ich hingegen habe dir schon gesagt, dass ich keine Geheimnisse habe. Und lass dir von mir noch etwas gesagt sein: Was du in deinen Hosen verbirgst, kenne ich bereits. Wer, glaubst du, hat dich ins Bett gelegt?«
    Nun zog sie ihr Unterhemd über den Kopf und Babu erblickte Brüste, die so rund und rosig waren wie Teleias Gesicht.

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