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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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Sie passten so wunderbar zu ihr; auf seine robuste, fast derbe Art war dieses Mädchen vollkommen. Babu konnte nichts sagen und er hatte in seinem Leben noch nicht so viele nackte Frauengesehen, um einfach wegschauen zu können. Nun ließ sie auch noch ihre Röcke fallen und entblößte ihre Scham.
    Babu rührte sich nicht.
    Sie stand ganz nackt vor ihm, sah ihn an und im Gegensatz zu Babu schien sie sich dabei nicht unwohl zu fühlen. Dann schüttelte sie kurz den Kopf und stieg ins Wasser. Endlich fasste er sich und begann, sich ebenfalls auszuziehen. Als er zu Teleia ins Becken kam, schaute sie an ihm hoch und sagte: »Die körperliche Liebe interessiert mich schon lange nicht mehr, das solltest du vielleicht wissen. Denk am besten von mir als einer Pflanze.«
    Das Lachen platzte so jäh aus Babu heraus, dass er selbst davor erschrak. Als er sich etwas beruhigt hatte, sagte er: »Das ist zwar unmöglich, ich werde es aber trotzdem versuchen.«
    Teleia fischte nach Babus langen, im Wasser treibenden Haarsträhnen und drehte eine zu einem schwarzen Knäuel auf. Die Haare lagen in ihrer Hand wie ein kleines, schlafendes Tier. Sie ließ sie wieder ins Wasser gleiten, lehnte sich im Becken zurück und schloss halb die Augen. Die Erinnerung an Nuru ging wie ein Gespenst durch die Hütte und streifte Babu mit einem kühlen Hauch. Sie verschwand, als Teleia wieder zu sprechen begann.
    »Da waren einmal brave Leute, die hatten einen kleinen Hof und drei schöne, liebe Töchter.« Ihre Augen blitzten unter den hellen Wimpern   – sie wusste, dass Melrunden diese Geschichte begonnen hatte. Möglicherweise erzählte die Alte immer diese eine Geschichte. Babu lächelte. Teleia sprach weiter. »Zwei dieser Töchter aber, die älteste und die jüngste, waren in den Wald gegangen und nicht mehr zurückgekehrt. So war den Eltern nur noch die mittlere geblieben, aber, wie so oft, war die mittlere Tochter die am wenigsten geliebte. Der Vater trug sein jüngstes Kind auf Händen; es war so unerschrocken, wie er es in jungen Jahren gewesen war, und er erkannte sich darin wieder. DieMutter liebte ihre erstgeborene Tochter von Anfang an und jeden Tag mehr, denn sie war ihr eine große Stütze und sie konnten miteinander all das besprechen, was Frauen gern besprechen. Die mittlere Tochter aber war ganz eigen und es hatte sich noch niemand gefunden, der ihre Eigenheit von Herzen liebte. Wenn sie ihre Arbeit in Haus und Hof verrichtet hatte, ging sie gern in den Wald und niemand hinderte sie. Sie kommt schon zurecht, hieß es. Die Bäume werden ihr kaum etwas zuleide tun, hieß es ein anderes Mal. Das stimmte selbstredend, aber es lebten noch andere Geschöpfe im Wald außer den Bäumen. Das Mädchen kannte einige von ihnen, manche waren scheu, andere listig und wieder andere waren gefährlich. Nur den Bäumen traute es wirklich, denn die waren nichts von alldem   – sie waren einfach. Als nun ihre Schwestern im Wald verschwunden waren, da dachte das Mädchen bei sich, es sollte doch die Bäume befragen, vielleicht wüssten die einen Rat. Denn es war nicht etwa froh, die Schwestern los zu sein, denk das nicht! Wenn sich auch nicht alle gleichermaßen liebten, so hatte die Familie sich doch herzlich gern und das Mädchen vermisste die Ältere und die Jüngere sehr. Es kam sich vor, als wäre es aus einem Rahmen gefallen. Das sagte es auch den Bäumen, doch die antworteten nicht gleich. Man kann von einem Baum nicht erwarten, dass er auf die Frage Wo sind meine Schwestern hingegangen? gleich eine Antwort gibt. Die Frage muss einsickern in sein stilles, hölzernes Herz; er muss sie aufnehmen und in sich aufsteigen lassen wie das Wasser, das er aus dem Boden nimmt und bis hinauf in seine jungen Triebe zieht. Also fragte das Mädchen geduldig immer wieder, bis schließlich ein Jägersmann zwischen den Stämmen hervortrat. Da wusste das Mädchen, dass die Schwestern mit dem Jägersmann gegangen waren, und ging auch mit ihm mit.«
    Sie streckte sich ein wenig und stemmte die Füße gegen diewarmen Steine in der Mitte des Beckens. Das Wasser, Teleias Nähe und ihre Stimme waren wohltuend. Babu wollte nun wissen, wie die Geschichte ausging, gleichzeitig kam aber die Müdigkeit mit einer dumpfen Wucht zurück, gegen die jede Gegenwehr zwecklos war.
8
    »Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Ich muss das Wasser ablassen und wir müssen die Steine zurücklegen. Das Brot wartet nicht gern.«
    Teleia war bereits wieder angezogen, aber ihr helles Haar

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