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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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langen Bettruhe gleich eine derart harte körperliche Arbeit zu verrichten wäre unvernünftig gewesen, wenn man auf weitere Genesung hoffte. Babu aber hoffte auf traumlosen Schlaf, auf die Auslöschung all seiner Gedanken. Die Mattigkeit in den Armen und der schmerzende Rücken waren vielversprechend. Nur das Klopfen in der Stirn   – das trügerische, böse Klopfen   – flößte ihm Angst ein.
    Teleia deckte den Teig mit einem feuchten Tuch ab und sie gingen, jeder eine Lampe in der Hand, wieder nach nebenan ins Hauptgebäude der Mühle. Sie reichte ihm den wollenen Kittel;den hatte Babu ganz vergessen. Er schaute an sich herab: Das leinene Unterhemd war voller Ölflecken, seine Hände glänzten wie die Teleias. In Babus langen Haaren hing der Mehlstaub. Er brachte ein entschuldigendes Lächeln zustande   – zum Reden war er schon zu müde. Er fragte sich gerade, wie er es schaffen sollte, die Leiter zur Dachkammer zu erklimmen, als Teleia sagte: »Man soll kein Brot backen, wenn man schmutzig und verschwitzt ist. Deshalb werden wir nun baden gehen. Wir haben ein paar Stunden Zeit   – das Brot gelingt am besten, wenn man es bei Sonnenaufgang in den Ofen schiebt. Da ist natürlich nichts weiter dabei, der Ofen hat dann einfach die richtige Temperatur. Aber ›bei Sonnenaufgang‹ hört sich gut an, finde ich. Das klingt geheimnisvoll und ich habe nie echte Geheimnisse. Siehst du, dir habe ich es auch gleich verraten, so geht das immer.«
    Teleia warf sich einen langen, schon recht zerschlissenen Umhang über und löste den hochgeschlagenen Rocksaum aus dem Gürtel. Babu sah sie mit offenem Mund an.
    »Was ist denn? Los, los, zieh deinen Kittel an, Babu, es ist kalt draußen, und wenn wir baden wollen, müssen wir erst ein Stück laufen.«
6
    Es war wirklich kalt, aber Babu fror vor allem aus Müdigkeit. Er gähnte kleine Wolken in die klare Nachtluft; Teleia ging voraus und sah es nicht. Der Mond schien so hell, dass sie ihre Lampen eigentlich nicht gebraucht hätten, und die zarte Schneedecke glomm blau auf den Hügeln. Auch zur Nacht war die Umgebung der Mühle einnehmend und der kleine Teich glänzte wie ein Spiegel. Außer der Mühle mit ihren Nebengebäuden standen auf der anderen Seite des Teichs noch zwei schiefe Häuschen und etwas, das einmal ein Stall gewesen sein mochte   – über Tag hatte Babu nicht darauf geachtet und nun war es trotz des Mondlichts zu dunkel, um alles genau zu erkennen. Ob Felt und Reva dort ihr Nachtlager hatten? Ob Teleia und die alte Frau dort wohnten? Es war anzunehmen. Wahrscheinlich war Melrunden Teleias Großmutter; Babu wollte schon fragen, als seinem müden Hirn einfiel, dass das sinnlos war.
    Also folgte er ihr weiter schweigend. Der Weg führte entlang des Bachlaufs über bereiftes Gras bergan. Reva war in dieser Richtung entschwunden, als Melrunden zu erzählen begonnen hatte. Da war es Babu noch gut gegangen … Er zwang sich, nicht an Felts Worte zu denken. Und er sah auch nicht nach oben an den Nachthimmel. Er wollte den Falken dort nicht kreisen sehen   – und wollte es doch. Er sehnte sich danach, wieder einmal das Gewicht des großen Vogels auf seinem Arm zu spüren. Und hoffte gleichzeitig, eine Begegnung mit Juhut vorerst vermeiden zu können. Denn Babu fürchtete sich vor ihm. Wie ein Kind, das gegen ein ausdrückliches Verbot der Mutter verstoßen hatte, sehnte sich Babu nach der Nähe und ängstigte sich zugleich vor der Strafe. Er sah zu Boden, denn es grauste ihm vor dem alles entlarvenden Blick, den die Szasla in seine sich verfinsternde Seele werfen würde.
    Sie waren so lange gelaufen, bis die kalte Nachtluft Babu die Müdigkeit ausgetrieben und eine angenehme Gleichgültigkeit zurückgelassen hatte. Teleia folgte nun einem ausgetretenen Pfad, der sich vom Bach entfernte und schließlich über eine Kuppe hinunter in ein weiteres Tal führte. Sie ging aber nicht hinab, sondern blieb am Hügelkamm stehen und Babu schloss zu ihr auf.
    »Das wollte ich dir zeigen«, sagte sie leise. »Wo wir schonhier in der Nähe sind, wäre es zu schade, wenn du die Sedrowes nicht hören würdest.«
    Das Tal, in das sie nun blickten, war ebenso von sanft ansteigenden Hügeln gefasst wie das von Teleias Mühle, aber deutlich größer. Von hier aus konnte man zudem in der Ferne schneebedeckte Gipfel erahnen und Babu fragte sich das zweite Mal seit seinem Erwachen am Vormittag, wo genau sie eigentlich waren. Dann wurde sein Blick auf die Bäume gelenkt, die als

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