Zwölf Wasser
ob etwas in Babus Innereien griff und sie allesamt mit einem Ruck nach unten herauszog. Er war plötzlich ganz hohl, nichts war mehr übrig von ihm außer einer Hülle. Babus leeres Inneres füllte sich mit Schwärze. Er hörte ein übermütiges Lachen, der süße Duft der Lindnüsse verflog, dann hatte die Schwärze auch seine Gedanken erreicht und auf einen Schlag vollkommen verdunkelt.
5
Unter dem gestammelten Vorwand, immer noch müde und erschöpft zu sein, hatte Babu sich von der Bank erhoben und war auf steifen Beinen zurück zur Mühle gegangen. Felt war kein aufdringlicher Mensch und wusste, dass Babu allein sein wollte – er ging ihm nicht nach, aber der Blick, den er ihm hinterherschickte, war voller Sorge. Babu drehte sich nicht um und er schaute auch nicht nach oben an den Himmel.
In der Mühle war Teleia nach wie vor bei der Arbeit. Die schweren Balken hatten aufgehört zu stampfen und sie holte gerade die großen Keile aus dem steinernen Trog. Babu trat zu ihr und nahm ihr einen aus den Händen. Sie schaute erstaunt auf – im Lärm der Mühle hatte sie ihn nicht kommen hören – und lächelte dann kurz, was ihr rundes, rosiges Gesicht wie das eines kleinen Kindes erstrahlen ließ. Babu hatte noch nie einen Menschen mit so hellem Haar und so blauen Augen gesehen.
Sie spannte ihn sofort ein. Teleia holte schmale Kästen aus dem Trog und zeigte Babu, wie er sie öffnen und ausklopfen musste. Im Steintrog wurde das Öl aus dem Nussbrei gepresst, der unter dem großen Steinrad entstand und in den Kesseln mit den langen Rührstäben erwärmt wurde. Sie zeigte ihm alle Arbeitsschritte und Babu schabte gequetschte Nüsse zusammen, befüllte Kessel, leerte Kästen, verschloss kleine Holzfässer. Es war auffällig, wie wenig Öl aus den Nüssen gewonnen werden konnte. Viele Stunden arbeitete Babu Seite an Seite mit der Müllerin – ein einziges Mal unterbrach er die Arbeit, um den wollenen Kittel auszuziehen –, doch am Ende ihrer Mühen standen nur drei kleine Fässchen. Sie waren so leicht, dass Babu sie auf der flachen Hand tragen konnte. Aber als Teleia endlich das große Steinrad anhielt, waren sie lange noch nicht fertig. Denn nun wurde aus dem trocken gepressten Brei das Nussbrot gebacken. Dazu schleppte Babu die deutlich schwereren Presskuchen, die noch die Kastenform hatten, aus der Mühle ins angrenzende Ofenhaus. Er hatte sich getäuscht und gedacht, man könne die Presskuchen so, wie sie waren, in den Ofen schieben – Teleia lachte so herzhaft über seine Unwissenheit, dass sie sich einen Moment hinsetzen musste. Das Lachen schien sie mehr anzustrengen als ein halber Tag Arbeit.
»Die muss man zerschlagen und sieben und mit anderem Mehl mischen! Dann kommt Salz hinzu, Wasser, Blähwürze und noch ein paar andere Zutaten. Wir sind lange noch nicht fertig!«
Und noch bevor sie tun konnten, was Teleia beschrieben hatte, bevor sie also backen konnten, mussten sie erst das Brot des Vortages aus dem Ofen holen – viele kleine, feste, duftende Laibe – und dann den Ofen neu anheizen. Teleia erklärte, wie das Brot über Tag im langsam erkaltenden Ofen seinen ganz besonderen Geschmack bekam, und dass es auch nach einem Soldernoch so gut essbar sein würde wie heute. Sie besah sich jeden einzelnen Laib, strich mit ihren glänzenden roten Händen darüber und stapelte die kleinen Brote dann auf Holzregalen. Es waren bereits viele Laibe da, aber auch noch viele Bretter leer. Die Arbeit schien hier kein Ende zu nehmen. Wie konnte sie das sonst nur alles allein schaffen? Es war bereits Nacht und die Lampen brannten, als sie in einem großen Holzkübel den Teig ansetzten. Teleia knetete, bis zu den Ellbogen im Mehl, mit bloßen Händen.
»Bei mir zu Hause gibt es eine Krankheit, die heißt Derst-pir, rote Hand«, sagte Babu und goss auf ihr Nicken hin Wasser zu. »Sie kommt auch von der Arbeit, sie befällt die Gerber. Die Derst-pir ist immer ein Todesurteil.«
Teleia walkte mit Inbrunst und Kraft den Teig.
»Du hast aber nicht vergessen, dass ich nicht verstehe, was du mir sagst, nicht wahr?«, fragte sie, etwas außer Atem.
»Nein, das habe ich nicht vergessen. Das ist ja mein Problem, dass ich so schlecht vergessen kann.«
»Gut! Dann lassen wir nun den Teig ruhen.«
»Das ist mehr als gut – dann können wir uns nämlich auch ein wenig Ruhe gönnen. Ich sollte wirklich schlafen gehen.«
Babu war nicht einfach nur müde, sondern vollkommen erschöpft. Nach der
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