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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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großen, weiten Sprüngen über die Wellenkämme setzte, und obwohl sein Magen auch auf und nieder sprang, geschah dies in einem Rhythmus, der gut auszuhalten war. Es wurde dunkler und das Dröhnen in der Luft wurde lauter; das Brüllen des Windes übertönte zunehmend die rauen Stimmen der Seemänner. Marken sah im aufzuckenden Licht eines Blitzes, wie zwei Kameraden den Steuermann festbanden, und auch der Kapitän neben ihm sicherte sich mit einer Leine. Diese Männer wussten, was sie taten   – genau wie Marken gewusst hätte, wann es ratsam war, sich anzuseilen, wären sie am Berg gewesen. Das Boot machte immer heftigere, längere Sätze und begann nun, auch seitwärts zu schwanken und sich unter dem starken, böigen Wind zu neigen. Das Deck unter Markens nackten Füßen kippte seitlich von ihm weg und schwankte gleichzeitig auf und ab. Die Leiche des zerquetschten Seemanns rutschte über die Planken. Marken brauchte unbedingt ein Seil, um auch sich selbst irgendwo festzubinden. Smirn stand immer noch in seiner Nähe. Während ihr Gesicht reglos blieb, glich ihr Körper das Rollen und Schlingern des Schiffes aus, mit grotesken Bewegungen, die an das Schlenkern einer Stoffpuppe erinnerten. Wenn sie fiel, würde sie genauso hilflos umherrutschen wie der Tote, überall anschlagen und sich verletzen. Marken riss an den Seilen, mit denen die Ladung gesichert war, sie warensteif und kalt vom Salzwasser. Endlich löste sich eines ein wenig, er versuchte, den Knoten zu öffnen. Es wurde noch dunkler und die Lichtblitze zuckten immer schneller durch die Luft, die nun von Gischt geschwängert war. Marken spürte die Wassertröpfchen wie feine Nadelstiche auf der Haut; mit aller Kraft zerrte er am Seil. Der Knoten löste sich, eine Kiste ebenfalls. Sie schlingerte über das nasse Deck, schlug gegen die Reling und zerbarst. Mit seinen großen Händen griff Marken nach Smirn. Sie mussten weg hier, die Ladung kam immer mehr ins Rutschen.
    Das Schiff war mittlerweile in den Sturm gezogen worden, es war stockfinster und durch die Blitze gleichzeitig immer wieder taghell. Donner war keiner zu hören im ohrenbetäubenden Brüllen der Luft und im Tosen des aufgewühlten Meers. Marken schaffte einige schwankende Schritte über das schräge Deck, dann kippte das Schiff mit einem Mal fast lotrecht hinab in ein tiefes Wellental. Er schlug hin und schlidderte Richtung Bug, mit dem Kopf voraus und der Unda im Arm. Er konnte sich nirgendwo festhalten, alles war in unberechenbarer Bewegung, sie rutschten, rutschten immer weiter; die Kräfte, die das Schiff im Griff hatten und es herumwarfen, waren gewaltig. Da spürte Marken einen schmerzhaften Ruck im Knöchel   – sein Fuß hatte sich irgendwo verfangen. Nun hing er beinahe kopfüber auf dem Deck, Smirn immer noch im Arm, während das Schiff wie ein lebensmüder Schwimmer immer tiefer hinab ins Wellental stieß. Dann schlugen sie auf. Das Schiff erbebte, ein krachendes Splittern drang durch den Sturm an Markens Ohr. Kurz darauf stürzte mit ungeheurem Gewicht das kalte Meerwasser auf sie. Das gesamte Deck wurde überspült, Marken war unter Wasser, sah nichts, hörte nur ein gurgelndes Saugen. Dann ging es wieder aufwärts, sein Körper wurde auf die Bretter gedrückt, das Reißen im Knöchel ließ nach und er kipptein eine aufrechte Position. Das Wasser floss ab, er bekam wieder Luft. Und Smirn? Er hielt sie umklammert. Nun rutschten sie auf dem sich aufbäumenden Schiff wieder zurück Richtung Heck, Holzsplitter bohrten sich in Markens Rücken. Er musste sich endlich festbinden   – und zwar bevor sie ins nächste Tal hinabtauchten.
    Im Rutschen, das fast ein Fallen geworden war, so steil stampfte das Schiff nun den Wellenberg empor, streckte Marken einen Arm aus. Aber er war noch gefesselt, beinahe entglitt ihm Smirn, er schlug irgendwo mit dem Kopf an. Im Licht eines Blitzes sah Marken einen bewusstlosen Seemann an ihm vorbei auf einem Wasserschwall die Bretter hinabgleiten und mit einem Überschlag über die Reling verschwinden. Marken schrie wütend auf   – unhörbar gegen das Lärmen des Sturms. Das Schiff veränderte wieder seine Neigung, sie hatten den Wellenkamm erreicht, Marken sprang auf die Beine. Er hatte nur wenige Augenblicke Zeit, auf einem mehr oder weniger waagerechten Untergrund zu einer Stelle zu laufen, die ihnen Halt bot. Gleich würde es wieder hinabgehen. Dennoch blieb er einen Moment atemlos stehen. Über die Reling hinweg sah er staunend auf das von

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