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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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über die Schlachtfelder irren   – als einer, den die Welt nicht mehr kannte. Sondern er könnte vielleicht kämpfen und gemeinsam mit anderen fallen, als Mensch unter Menschen.
    Er stand auf.
    Nun sah er es deutlich: Es waren drei Segelschiffe, kleiner als das Boot, auf dem Marken und Smirn waren. Aber auch schneller, denn die Verfolger kamen rasch näher. Er blickte den Hauptmast hoch, sah, wie die viereckigen Segel sich blähten. Die Segel der anderen waren Dreiecke, die Rümpfe der Boote schlanker. Aber was war eigentlich im Rumpf dieses Schiffs hier? Obwohl Marken nicht groß darauf geachtet hatte, so hatte er doch den Eindruck, die Seeleute blieben fast immer an Deck, auch nachts, auch bei Regen; und sogar die Ladung oder wenigstens ein Teil davon war hier oben vertäut. War das nicht ungewöhnlich?
    »Was glaubst du, Smirn, sind wir schwerer und langsamer als die anderen? Wahrscheinlich hat unser Schiff alles Mögliche geladen und mit vollem Bauch schwimmt es sich nicht so schnell. Na, das scheint ihnen jetzt auch einzufallen, schau, wie sie auf den Kapitän einreden.«
    Die Rangordnung an Bord hatte Marken ganz unbewusst aufgenommen; Zeit seines Lebens Soldat, war ihm gleich klar gewesen, wer wo einzuordnen war, obwohl niemand eine Uniform oder Abzeichen trug. Der Kapitän und der Mann, der meist das Steuerrad hielt, sowie zwei andere, die hauptsächlich mit Herumbrüllen beschäftigt waren, hatten Marken bisher keines Blickes gewürdigt. Die beiden dagegen, die ihm abwechselnd Essen und Wasser brachten, standen in der Hierarchie ganz unten. Dazwischen taten die anderen fünfzehn Männer ihre Arbeit und man hatte nicht den Eindruck, dass sie sich sehr anstrengen mussten. Dieses Schiff fuhr mit ausreichender Besatzung und nun wurde Marken auch klar, warum: damit man es im Notfall verteidigen konnte. Mehr als die Hälfte aller Seeleute an Bord des Schiffes trugen statt der üblichen kwothischen Äxte große Haumesser im Gürtel. Die groben Waffen entstammten nichtden Schmieden am Berg, aber die nach vorne hin sichelförmig aufgebogenen, breiten Klingen waren recht eindrucksvoll   – nicht, was die Handwerkskunst anging, sondern die Wunden, die sich damit schlagen ließen. Einhändig am kurzen Holzgriff gepackt, konnte man mit einem solchen Haumesser ein dickes Tau durchschlagen. Oder einen Arm abhacken. Der Gedanke an sein verlorenes Schwert schmerzte Marken. Es hing nun am Gürtel des Dämonenkönigs; das Beste, was Welsiens Schmiede seit Generationen erschaffen hatten, war in die Klauen des Bösen geraten.
    »Wenn nicht noch etwas passiert, haben sie uns bald eingeholt. Ich kann schon die Männer auf den anderen Schiffen erkennen. Sie sind in der Überzahl. Smirn, wenn sie entern, bleibst du einfach da stehen, wo du stehst, ja? Bleib immer hinter mir.«
    Marken bückte sich und riss an seinen Fußfesseln. Er musste sie loswerden, er brauchte einen guten Stand. Das Schiff schwankte wenig, und auch wenn er es nicht gewohnt war, machte das Rollen des Meeres Marken nichts aus. Im Gegenteil: Die Luft und die Weite taten ihm gut. Salzig war dieser Wind und dabei weicher als der am Berg, er trug eine Sehnsucht mit sich. Wären es andere Zeiten gewesen, Marken hätte gern mehr über das Meer erfahren, über seine Endlosigkeit, über die fremden Geschöpfe, die in seinen Tiefen lebten. Er beobachtete nun, wie der Kapitän wütend die Arme hochwarf und aufschrie   – er hatte sich von den anderen überreden lassen. Trotzig wandte er sich ab und blickte übers Heck zu den sie verfolgenden Schiffen. Der Steuermann packte entschlossen das Rad, zwei Seeleute griffen nach eisernen Ringen, die im Deck eingelassen waren. Sie hoben sie hoch und öffneten so eine große Luke. Mit ernsten Mienen und dem eigentümlichen kwothischen Stolz im Blick stiegen die beiden Männer hinab in den Bauch des Schiffes.
    »Was denn, wollen die sich vor einem Angriff in Sicherheit bringen? Sich unter Deck verstecken? Das hat doch keinen Sinn.« Marken trat einen Schritt vor, um bessere Sicht zu haben. »Nein, da kommen sie schon zurück. Smirn! Sie bringen etwas an Deck   – was ist das ?«
3
    An einer langen Stange, an der man auch einen Ochsen am Nasenring führen würde, zerrten die Seeleute etwas Dunkles und seltsam in sich selbst Verknäultes ans Tageslicht. Erst schien es über die Bretter des Decks zu fließen, dann ballte es sich zu einer zwei Mann hohen wogenden Masse zusammen. Es war wie aus dichtem schwarzem Rauch, wirkte

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