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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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den Segeln genommen, die Kehle zugedrückt. Saiph atmete tief ein, hustete, atmete wieder. Er musste seinen Gedankenstrom eindämmen; er konnte sich leicht in etwas hineinsteigern.
    Der Welse kniete sich zu ihm und sprach ihn an. Es klang entschuldigend. Aber Saiph verstand ihn nicht. Nun machte der Mann ein paar Gesten, wies auf sich, die Matrosen, Saiph. Er wollte sich ihnen anschließen? Aber ja!
    »Du willst also hier weg?«
    Saiph wollte auch gestikulieren, aber das ging nicht. Er knurrte verärgert. Schneller als er gucken konnte, hatte der Welse die Fesseln durchtrennt. Er erhob sich, das schartige Haumesser in der Hand, und auch Saiph stand auf. Er reichte ihm nicht einmal bis zur Brust.
    »Also … du bist hier gestrandet. Ich nehme an, wenn irgendwelche Kwother überlebt hätten, wären sie auch hier.« Jetzt, wo er stehen und reden konnte, ging es Saiph gleich viel besser. »Du hast die Kleider gestohlen, wahrscheinlich einem Toten   – dir sind sie viel zu klein. Gehen wir zu deinen Gunsten und meiner Beruhigung davon aus, dass du den nicht auch erschlagen hast. Nun, einen Handel mit dir abzuschließen ist schwieriger   – du verstehst mich nicht   –, aber nicht unmöglich … Ich frage dich zuerst: Wo ist der Euler?«
    Der Welse schaute aus grauen Augen gelassen auf Saiph herab. Der Steuermann wollte nicht einmal daran denken, dass es kein Windwesen auf dieser Insel gab. Sondern nur diesen Riesen. Er fuhr mit den Händen durch die Luft, zeichnete eine Wolkenkontur nach, blies die Backen auf, pustete aus.
    » Euler ?«, fragte der Riese.
    »Ja! Ein Eu-ler! Er war an Bord eures Schiffes!«
    Saiph imitierte das Stangehalten und Zerren der Kreatur. Das Gesicht des Welsen verfinsterte sich. Er schüttelte den Kopf.
    »Weg? Entkommen?« Saiph machte eine wegwerfende Handbewegung.
    Der Welse wiederholte sie. Malte dann noch einen großen Wirbel und Wellenbewegungen in die Luft. Saiph schloss die Augen. Umsonst. Was hatte Rigl gesagt? Deine Beweisführung steht auf sehr wackligen Füßen, Saiph, das wissen wir beide. Es war so gewesen, wie Kapitän Rigl es vermutet hatte. Der Euler hatte den Sturm verursacht, dem die Kwother zum Opfer gefallen waren. Dieser Welse hatte überlebt, kein Wunder, bei dieser Gestalt. Den brachte wahrscheinlich nichts um. Aber wieso sollten sie ihn mitnehmen? Den Mörder von Kinnig? Saiph öffnete seine Augen wieder und sein Blick fiel sogleich auf die Leiche. Er hatte sich in eine komplizierte Situation manövriert. Wie kam er hier weg, gemeinsam mit den Matrosen und dem toten Bootsmann   – aber ohne den Riesen?
    Als Saiph unvermittelt einen Stoß gegen die Brust bekam, sodass er auf dem Hosenboden landete und mit offenem Mund atemlos zur Türöffnung starrte, wurde ihm bewusst, dass die Situation noch viel komplizierter war als gedacht. In den Welsen war eine Spannung gekommen, er nahm eine Haltung an, die Saiph sehr streng, fast soldatisch vorkam. Und dann trat eine Frau in den Raum, wie Saiph nie zuvor eine gesehen hatte. War das überhaupt eine Frau? Sie sah entfernt kwothisch aus, aber ihre Augen waren nicht golden, sondern gleißend hell. Über ihre dunkle Haut floss Licht in Wellen. Sie kam langsam auf ihn zu, hob beruhigend eine Hand gegen den Welsen, der das Haumesser auf Saiph gerichtet hatte. Aber der konnte sich ohnehin nicht rühren, war gebannt vom Anblick.
    »Es ist Zeit zu gehen«, sagte sie lächelnd mit rauer Stimme und in bestem Ingrisch zu Saiph.
    Er wusste unmittelbar, dass dieser eine Satz alle seine bisherigen Lebenspläne und Ziele, ja, seine ganze bisherige Existenz wegspülte wie eine auslaufende Welle eine Spur am Strand.
19
    Eine Unda. Es war tatsächlich eine leibhaftige Unda, er hatte es erkannt. Denn obwohl Saiph gern geistreich tat, gab es Dinge, von denen Kapitän Rigl mehr Ahnung hatte als sein Steuermann. Saiphs Interesse galt   – das musste Rigl bei aller Zuneigung zu dem Jüngeren eingestehen   – vor allem sich selbst. Nun, sie alle waren Seguren genug, um für den Ehrgeiz eines anderen Verständnis aufzubringen. Nur hatte Saiphs Ehrgeiz den Bootsmann das Leben gekostet, und das war bitter. Unbedingt hatte er einen Euler haben müssen. Gebracht hatte er schließlich einen Toten, einen welsischen Kämpfer   – und eine Unda.
    Die beiden Ruderboote waren durchs schäumende Wasser langsam auf die ankernde Auriga zugekommen und Rigl hatte seinen Augen nicht getraut. Immer wieder hatte er das Fernglas heruntergenommen, gestarrt, es

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