Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
Vom Netzwerk:
Quelle zu gelangen   – vielleicht sogar unmöglich. Niemand hat das je versucht. Die Pferde können wir sicher nicht mitnehmen und auch Glaron und Nendsing können den Anstieg nicht bewältigen. Sie kennen die Berge nicht wie ihr Welsen. Ich zögere noch.«
    Sie ging langsam ins Wasser, wandte sich dann zu Kersted um, der mit verschränkten Armen am Ufer stand. »Die Strenge steht dir schlecht, Pfadmeister. Gönn dir ein wenig Ruhe, ich gehe schon nicht unter. Diese Nacht noch muss ich warten und lauschen. Morgen werden wir entscheiden, was zu tun ist. Hiermit erlaube ich dir, mich bei Sonnenaufgang aus dem Wasser zu holen. Etwas weniger ungestüm allerdings als vorhin   – wenn dir das möglich ist.«
6
    Das bleiche Licht des Mondes war wie ein dünnes Tuch, das die schlimmsten Wunden des Landes gnädig verdeckte. Fander stand reglos am Wassersaum und ließ Utate nicht aus den Augen. Kersted verstand vollkommen, warum Felt diesen Soldaten ausgesucht hatte. Die Männer der Wache waren alle höchst diszipliniert und duldsam   – was wenig wunderte, schließlich war Offizier Felt ihr Vorgesetzter   –, aber Fander war zudem nachdenklich, fast feinfühlig. Er hatte sich ohne das leiseste Zögern Kersteds Befehl unterstellt, als sie Pram verlassen hatten   – jeder der Offiziere sollte wenigstens einen welsischen Kameraden an der Seite haben. Dennoch blieb Fander in sich gekehrt. Und erhatte Eingebungen. Zudem unterhielt er sich öfters mit Nendsing, was Kersted missfiel, war sonst aber schweigsam, fing nie von sich aus ein Gespräch an. Fander sah alles und machte sich zu allem seine Gedanken. Und kam dabei auch zu Ergebnissen. Kersted musste sich eingestehen: Er fürchtete, dass der Soldat nicht nur wachsamer, sondern auch klüger war als er selbst.
    Was jedoch Bildung anging, konnten es beide Welsen nicht einmal mit dem Koch aufnehmen. Glaron sprach nicht nur fließend Welsisch, er konnte es sogar schreiben. Wäre Nendsing nicht da gewesen, Kersted hätte ihn gebeten, ihm ein paar Schriftzeichen beizubringen. Aber in der Gegenwart der Segurin konnte er sich diese Blöße nicht geben.
    Nendsing. Sie störte. Es gab so vieles zu überlegen, aber immer war sie es, die Kersted im Kopf herumging. Er kam überhaupt nicht zum Denken! So konnte es nicht weitergehen. Irgendetwas musste er unternehmen, am besten jetzt gleich. Er musste herausfinden, wie sie zu ihm stand. Wenn sie ihn abwies, umso besser, dann könnte er sie sich endlich aus dem Kopf schlagen und sich mit wirklich Wichtigem beschäftigen.
    Sie hob den Blick, als er zu ihr trat, und lächelte Kersted an. Hatte er im Ernst gedacht, es gäbe etwas Wichtigeres als dieses Lächeln? Diese großen, dunklen Augen?
    »Kersted, ich will dir etwas zeigen, aber dazu musst du dich setzen. Von da oben sieht man es nicht.«
    Er setzte sich zu ihr ins hohe Gras am Fuß eines der alten Bäume und Nendsing nahm seinen Kopf in ihre Hände. Wirklich nachtragend schien sie nicht zu sein; ihre letzte Auseinandersetzung war vergessen.
    »Du sollst nicht mich anschauen, sondern dorthin.«
    Sie drehte seinen Kopf, sodass er ihre Blickrichtung einnahm.
    Der Mond stand hoch, der Himmel war klar. Das Wasser,das über Tag gelblich trüb gewesen war, glänzte silbern zwischen wie mit leichter Hand hineingestreuten blauschwarzen Uferstücken. Die überhängenden Äste des Baums, unter dem sie saßen, rahmten das Bild einer von der Nacht verzauberten Landschaft. Ein kleiner Schatten erschien im glänzenden Wasser. Dort schwamm etwas mit schnellen Zügen. Der schwarze Kopf verschwand, tauchte wieder auf.
    »Es ist eine Njarka, eine Art Wasserratte«, sagte Nendsing leise. »Ich habe sie heute Nachmittag schon bemerkt. Es ist nur die eine. Aber andere werden folgen. Njarkas sind fleißige Baumeister; sie werden die Ufer wieder befestigen. Das Leben wird in dieses Land zurückkehren. Das Leben lässt sich nicht so einfach vertreiben.«
    Als Nendsing ihre Hände sinken ließ, griff Kersted danach. Sie war ihm so nah, er brauchte sie nicht zu sich zu ziehen. Er konnte sie einfach so küssen. Sie sträubte sich nicht, er ließ ihre Hände los, griff durch die langen, weichen Haare ihren Nacken. Sie ließ sich auch das gefallen und erwiderte den Kuss   – dies war ganz sicher nicht ihr erster, sie wusste genau, was sie tat. Und die Wirkung blieb nicht aus: Als er Nendsings kleine, warme Zunge in seinem Mund spürte, spürte Kersted auch das Ziehen in den Lenden. Sein Puls beschleunigte

Weitere Kostenlose Bücher