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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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drückte ihm die Kehle zu. Man konnte gut sein Leben leben, ohne von den stillen Mächten zu wissen, die das ermöglichten. Marken hatte genau das getan: Er hatte an Stahl gedacht, an Waffen   – und an Zwiebeln und Bohnen. Er hatte gedacht, seine Aufgabe wäre wichtig und seine Arbeit würde dazu beitragen, dass die Welsen am Berg überleben konnten. Er hatte sich sogar eingebildet, sein Wirken und Wort könnten Welsien einen neuen Herrscher bringen: Marken, der Königsmacher!
    Er bemerkte, dass er weinte.
    Er sah in Smirns dunkles, von wirbelndem Schaum umspültes Gesicht. Es war, als habe das Wasser ihr die Narbenranken abgewaschen. Sie war erloschen. Still lag sie in ihrem Wasserbett und das Licht der Morgensonne brach sich glitzernd in den feinen Tröpfchen auf Stirn, Wangen, Lippen.
    »Smirn, ich bitte dich, wach auf.«
    Markens Schluchzen ging unter im Rauschen des Flusses. Es war ihm egal, der ganze Kontinent hätte ihn weinen sehen können. Sie sollte nur wieder zu ihm zurückkommen.
    »Smirn, bitte, du darfst mich nicht verlassen. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun soll.«
    Auch Asta hatte er lange in den Armen gehalten. So lange hatte er mit seiner toten Frau dagesessen, dass sie starr gewordenwar. Kalt, starr. Tot. Seine Asta, Liebe des Lebens. Alles hatte sie für ihn getan und wie hatte Marken es ihr gedankt?
    »Ich habe ihr den Tod gebracht, Smirn. Wahrscheinlich wusstest du das längst. Aber ich schwöre: Ich wollte es nicht, ich konnte mich nur nicht beherrschen. Ich habe zu viel Kraft, zu viel Leben in mir   – wieso kann ich nicht sterben? Lass mich für dich sterben, Smirn. Du weißt bestimmt eine Möglichkeit   … Hörst du? Lass mich für dich sterben! Smirn! «
    Er schüttelte sie. Er tauchte sie unter, riss sie wieder hoch. Er weinte, flehte. Dann brüllte er, schrie Smirn an, beschimpfte sie als herzlos.
    Es war umsonst, sie erwachte nicht.
9
    Kwothisch war eine Sprache, die Kersted das Pfeifen wieder in die Ohren schickte. Der hohe Ton war fast unhörbar geworden; die schroffen, lauten Klänge brachten ihn zurück. Dabei war die Rede des alten Kriegers nicht einmal an Kersted gerichtet, sondern an Utate.
    In voller Rüstung und mit blanken Klingen hatten Fander und Kersted die Reiter aus Kwothien erwartet. Utate hatte gemeint, den Augen einer Szasla entgehe ohnehin nichts und eine Flucht sei unmöglich. Aber die Männer waren ihnen nicht feindlich gesinnt, im Gegenteil: Der eine, auf den es ankam, war sogar froh, dass er sie gefunden hatte. Obwohl keine Rangabzeichen die kwothischen Soldaten voneinander unterschieden   – alle trugen einen Harnisch aus Welsenstahl und dunklem Leder, alle waren mit Äxten bewaffnet –, hatte Kersted gleich bemerkt, dass dieser eine Mann den anderen an Stellung und Herkunft weit voraus war. Auffallend war auch, dass keiner derMänner jung war. Falten durchzogen die dunklen Gesichter, in den geflochtenen Bärten mischte sich mal mehr, mal weniger Weiß ins ansonsten schwarze Haar der Kwother.
    »Sie haben nach uns gesucht, nach der Hohen Frau«, hatte Fander gesagt, als die Reiter den Fluss erreicht hatten, und Kersted hatte nur knapp genickt. Dass Fanders Eingebungen langsam ein unheimliches Ausmaß annahmen, schien dem Kameraden selbst nicht aufzufallen.
    Nun standen die zwölf Kwother in einem Halbkreis um ihren Anführer, der seine rauen Worte an Utate richtete; ihnen gegenüber Kersted und die anderen als zusammengewürfeltes und klägliches Grüppchen im Vergleich zu den gerüsteten Kämpfern.
    Der Mann zu Fuß hielt sich abseits.
    Mit dem leichten Galopp des Reitertrupps hatte er mühelos mithalten können. Er war wie fürs Laufen geschaffen: langbeinig, muskulös und groß, dabei aber schmal wie ein Sedrabra. Auch seine Haut erinnerte Kersted an die großen Raubkatzen der Randberge. Sie erschien grau und glanzlos, wie mit Staub bedeckt. Bis auf einen ebenso grauen Fetzen, der das Nötigste bedeckte, war der Mann nackt und seine Bewaffnung war ebenso dürftig. Ein Messer oder Dolch war mit Riemen an einen der kräftigen Oberschenkel gebunden. Der Läufer stand nun ganz still und schaute in den Himmel, an dem der große Falke kreiste.
    »Kannst du Kwothisch?«, fragte Kersted und war erstaunt, als Nendsing den Kopf schüttelte.
    »Lesen so einigermaßen, verstehen fast nichts und sprechen, das ist für einen Fremden kaum erlernbar. Das muss man von Kind auf üben.«
    »Braucht viel Zeit, und wer hat in Pram schon Zeit«, warf Glaron ein.

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