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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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»Ich kann nur einen einzigen Satz.«
    Er gab ein paar gutturale Laute von sich.
    »Und was heißt das nun?«, fragte Kersted, ohne Utate aus dem Blick zu lassen, die den Ausführungen des graubärtigen Kwothers aufmerksam zuhörte.
    »Lasst es Euch schmecken«, sagte Glaron.
    »Ich habe Hunger«, sagte Nendsing und Glaron begann sogleich, in einer seiner Umhängetaschen zu wühlen.
    »Später!«, sagte Kersted scharf.
    Denn endlich hatte der alte Soldat geendet und Utate sah zu ihnen herüber. Die Sorge in ihrem Blick war nicht kleiner geworden. Dies war kein guter Morgen.
    »Es gibt Krieg«, sagte sie ohne Umschweife. »Der Norden macht sich bereit, denn Hardh sammelt in ganz Kwothien Truppen und holt die Menschen in die Hauptstadt, nach Jirdh.«
    »Hardh   – wer ist das? Der König der Kwother?«, fragte Kersted. Im Augenblick war es ihm gleich, ob er dumm wirkte. Er war unwissend und wollte endlich Aufklärung über das, was hier vor sich ging.
    Utate wiegte ihr schönes Haupt.
    »Nun, ob Hardh König ist, darüber ließe sich streiten. Er sitzt auf dem Thron, das ja. Aber es herrscht Uneinigkeit darüber, ob das rechtmäßig ist. Hardh ist Horghads Sohn, er wurde anda geboren. Und obwohl ein kwothischer Junge für gewöhnlich recht früh lernt, seine Axt zu gebrauchen, war er noch zu jung, um seinem Vater in die Schlacht zu folgen. Damals war er drei Soldern alt. Heute ist er hundertzehn. Genau wie Dern, sein Vetter.«
    Utate machte eine Geste zu dem alten Krieger hin, der mit einem angedeuteten Nicken antwortete.
    »Bitte begrüßt Dern, Sohn von Silhad, Führer der Nord-Kwother und neben Hardh gleichberechtigter Anwärter auf den Thron Kwothiens. Erweist ihm die Ehre und dankt ihm: Er hat große Mühen auf sich genommen, um uns zu finden.«
10
    Marken konnte nicht sehen, ob Smirn noch atmete. Er konnte sein Ohr nicht an ihre Brust legen und auf den Herzschlag lauschen. Er war so entkräftet, seine Beine und Arme waren vom kalten Wasser so taub geworden, dass er nur noch hoffen konnte. Hoffen, dass Smirn lebte. Hoffen .
    Marken riss sich Torviks Lederbeutel vom Hals, zog mit den Zähnen den Pfropfen heraus; ein Arm hielt noch die leblose Smirn im rauschenden Wasser. Er zwang ihr den kleinen Beutel zwischen die Lippen, presste ihr die wenigen Schlucke Quellwasser in den Mund. Ob sie sie schluckte? Ob das alles überhaupt einen Sinn hatte?
    Marken wusste es nicht. Er ließ das leere Beutelchen los, der Fluss nahm es mit sich. Smirn zeigte kein Lebenszeichen. Marken ließ auch sie los und sank selbst ins Wasser. Er ging nur kurz unter; die Globa war nicht tief, aber schnell. Sie schwemmte ihn über rund gewaschene Steine, drehte ihn ein paar Mal herum und legte ihn dann hinter einem größeren Felsen am Ufer ab   – wie ein Kind einen Ball liegen lässt und weiterläuft, weil es etwas erspäht hat, das seine Aufmerksamkeit mehr fesselt.
    Es schien Marken, als ob das Wasser durch ihn hindurchliefe. Es nahm die Schmerzen und die Trauer mit. War das so, wenn man starb? Könnte er so sterben, einfach so, liegend im kalten Wasser? Dieser Fluss hier starb, seine Quelle versiegte. Könnte er vielleicht auch Markens Leben nehmen, es aus ihm herauswaschen? Er lag auf dem Rücken, wurde umspült vom eisigen Wasser und glaubte, die Stimme des Flusses in seinen Ohren plätschern zu hören. Das Leben geht weiter, das Leben geht weiter.
    Aber das war nicht die Stimme dieses Flusses. Was er hörte, war eine Erinnerung. Er hörte Torviks Quelle glucksen: Das Leben geht weiter, das Leben geht weiter.
    Und dann hörte Marken seine eigene Stimme, hörte sich sagen: Wir geben niemals auf. Nein, er gab niemals auf   – selbst wenn er es wollte, er konnte es nicht.Selbst wenn er seine Hoffnung verschenkte, behielt er sie dennoch. Und obwohl er derjenige war, der sterben wollte, war er am Ende der Einzige, der überlebte. Es war eben so: Das Leben wollte ihn nicht loslassen. Marken öffnete die Augen, hob den Kopf aus dem Wasser.
    Beinahe im selben Augenblick hörte er Stimmen, echte Stimmen. Kwothisch. Wo war Smirn?
    Marken rollte sich auf den Bauch, kam auf alle viere, blieb hinter den Felsen geduckt. Suchte den Fluss ab, soweit er ihn überblicken konnte. Er sah Smirn nicht. Sie musste weiter flussabwärts getrieben worden sein   – von dort kamen auch die Stimmen. Kwother auf dem Weg zur Quelle. Dhurmmets? Marken konnte es nicht herausfinden, ohne seine Deckung zu verlassen. Langsam, leise, zog er sein Schwert.
11
    Glaron

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