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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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dasteht und irgendetwas Böses mit dir anstellt. Ein Dämon hat keine eigene Gestalt, er ist ein unsichtbarer Gifthauch, der durch einen Riss in deiner Persönlichkeit in dich eindringt und dich verpestet. Ein Dämon rüttelt so lange an dir, bis ein solcher Riss entsteht. Dann kann er deinen Körper benutzen und sich von deiner Seelenqual nähren, bis du zerbrichst. Asing ist ein mächtiger Dämon und eine katastrophale Gefahr für den Kontinent. Wir haben gesehen, was ihre Kraft anrichten kann. Sie kann ganze Länder zerklüften, sie kann einen Flusslauf zerreißen. Sie hat keine Gestalt, sie ist im Feuer gefangen … jedenfalls war sie es. Jetzt kommt sie frei und …« Nendsing unterbrach sich, griff sich in einer ratlosen Geste in die langen Haare. Glaron sah ihre Hand zittern. »… und ich kann mir nicht vorstellen, welche menschliche Seele einem Dämon wie Asing standhalten könnte.«
    »Aber warum?« Auch Kersted hatte Nendsings Schwäche bemerkt; die Kälte war aus seiner Stimme verschwunden. »Wenn sie so mächtig ist, wozu braucht sie dann eine menschliche Gestalt? Ein Mensch kann keine Schluchten in den Erdboden schlagen, die über zwanzig Mann samt Pferden verschlucken!«
    Der Offizier glaubte immer noch an die Vernunft.
    »Pfadmeister, nichts und niemand kann einen Menschen so sehr quälen wie ein anderer Mensch«, sagte Utate ruhig. Sie ging langsam auf Kersted zu und Glaron hatte den Eindruck, dass durch ihre klare Stimme die Worte, die sie sprach, besonders wahr wurden. »Was die Szasla uns durch ihren Szasranmitgeteilt hat, lässt mich endlich die Zusammenhänge erkennen. Vor über hundert Soldern hat Asing ihre Menschlichkeit verloren. Nun will sie sie zurück. Sie will die Menschen nicht mit Erdbeben strafen oder mit einer Feuersbrunst. Das genügt ihr nicht. Mit der größten Katastrophe kann ein Mensch sich abfinden, wenn er sein Leid mit anderen Menschen teilen kann. Wenn er getröstet wird. Wenn ihm Menschlichkeit entgegengebracht wird. Asing aber will den Völkern des Kontinents ihre Menschlichkeit entreißen, so wie sie ihr entrissen worden ist.«
    Utate blieb stehen und wandte sich an Nendsing, die inzwischen so heftig zitterte, dass Glaron glaubte, sie würde zusammenbrechen. Die Unda beachtete es nicht, sondern sprach weiter: »Du hast es gut beschrieben, Nendsing. Ein Beben, das eine gestaltlose, eine im Feuer gefangene Asing hervorruft, ist nur ein Rütteln an der menschlichen Persönlichkeit. Es macht Angst. Es verursacht Risse. Noch ist keiner groß genug. Noch hat Asing nicht die eine Seele gefunden, die ihre Rache nähren kann. Aber wenn wir der Szasla Glauben schenken   – und es gibt nicht einen Grund, das nicht zu tun   –, dann ist genau das Asings Absicht. Die Rache sucht eine Seele, der Hass braucht einen Handlanger   – einen Körper. Sie will wieder Mensch werden, denn als Mensch die Menschheit zu vernichten, das macht Asings Rache vollkommen. Sie sucht. Sie sucht einen Menschen, der stark genug ist, ihren Hass zu ertragen. Und schwach genug, sich der Rache hinzugeben.«
12
    Warum hatte Marken Smirn bloß losgelassen?
    Weil er entkräftet war, sie nicht mehr hatte halten können. Weil er verwundet war und immer noch litt unter den körperlichen und seelischen Verletzungen des Dhurmmets, des Dämons Ormn. Und weil er zutiefst verzweifelt war. Er hätte es dennoch nicht tun dürfen.
    Nun war er wieder auf den Beinen. Hockte hinter dem Felsen. Und spürte diese Wut in sich. Die Wut auf sich selbst, die er nicht loswurde und die ihn antrieb. Selbst wenn Smirn niemals mehr erwachen sollte, er würde sie verteidigen, er musste es.
    Mit einem Schrei sprang Marken hinter der Deckung hervor, das Schwert hoch erhoben.
    Dunkle Gesichter wandten sich ihm zu; Äxte wurden gezogen. Marken sah so schlecht, dass er nicht auf Anhieb ausmachen konnte, wie viele Kwother es waren. Zwischen fünf und acht, schätzte er.
    Und sie hatten Smirn.
    Zwei, drei von ihnen standen bis zur Hüfte im wirbelnden Wasser und hielten die Unda, zogen sie an Land   – Marken nahm das Glitzern von Smirns Gewand wahr. Die anderen drängten sich auf dem steilen Uferpfad. Allesamt waren sie vielleicht zwanzig Schritte entfernt. Keine schlechte Ausgangslage , dachte Marken. Er lachte laut, brüllte dem Feind entgegen: »Ich gebe niemals auf! Kommt nur! Einen nach dem andern werd ich euch erschlagen! Kommt!«
    Einer der Kwother brüllte zurück, gab dann den anderen raue Befehle.
    »Was ist denn? Kommt! Mein

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