Zwölf Wasser
Schwert wartet!«
Marken glitt auf den runden Flusskieseln aus, fing sich aber und lehnte sich gegen den Felsen, der ihm Deckung gegeben hatte. Einen oder zwei könnte er vielleicht erschlagen, zu mehr würde seine Kraft nicht reichen.
»Verfluchte Feiglinge! Kommt her und kämpft!«
Er machte einen Hieb durch die Luft. Nun hatten sie Smirn an Land geschafft; die Soldaten auf dem Uferpfad verstelltenMarken die Sicht auf sie. Aber endlich setzten sie sich in Bewegung, stapften den Pfad hoch auf Marken zu. Mit nassen Handschuhen umfasste er fest den Schwertgriff.
»Ja, na also! Kommt und sterbt!«
13
»Dern sagt, der Läufer teile nur mit, was der Falke ihm eingebe, er selbst spräche nie. Was mit seinem Volk geschehen ist, ist nach wie vor ein Geheimnis – die Steppenläufer sind und bleiben verschwunden. Bis auf diesen einen.«
Dern saß mit gekreuzten Beinen und sehr geradem Rücken auf einem ins Gras gelegten Teppich, Utate übersetzte. Man hatte einen Baldachin gegen die Mittagssonne aufgestellt. Einer der Soldaten hatte ihnen mit Fleisch gefüllte Teigbällchen gereicht, die Kersted dankend ablehnte, von denen Nendsing aber bereits das dritte verschlang. Dern sprach langsam, machte Pausen, um Utate Zeit für die Übersetzung zu geben. Kersted spürte die Autorität dieses alten Mannes. Die goldenen Augen waren wachsam, blickten jedoch gelassen auf die Fremden. Er hatte tatsächlich etwas Königliches an sich.
»Als der Szasran wie aus dem Nichts auftauchte«, fuhr Utate fort, »war die Lage in Kwothien bereits gekippt. Die Dhurmmets, lange von allen geachtet, drängten immer rücksichtsloser an die Macht.«
»Dhurmmets?«
»Veteranen, Kersted. Dhurmmets haben in der Feuerschlacht gekämpft, vor über hundert Soldern.«
Nendsing entfuhr ein überraschter Laut und Utate nickte zustimmend.
»Ja, ein derart langes Leben ist selbst für einen Kwother ungewöhnlich, und als ich eben davon erfuhr, löste sich ein Rätsel für mich. Denn die Undae hatten schon länger bemerkt, dass der Tod dieses Volk meidet. Doch irgendwann erinnert sich der Tod eines jeden. So auch hier – der Krieg, der diesem Land droht, wird furchtbar sein …« Ihr Blick verlor sich kurz, sie griff nach der Phiole um ihren Hals und sprach weiter. »Von der Ehrfurcht, die jedem Dhurmmet entgegengebracht wurde, blieb irgendwann nur noch Furcht übrig. Denn die Veteranen starben nicht und sie alterten nicht. So waren die Väter irgendwann stärker und jünger als die eigenen Söhne, die nie selbst der Familie vorstehen konnten – denn die Väter gaben den Platz nicht frei und die Söhne mussten sich deren Willen und Befehlen unterwerfen, wie es die Tradition verlangt. So wurde das, was über viele hundert Soldern ein starres, aber standfestes Gerüst des kwothischen Zusammenlebens gewesen war, zu einem Käfig. Es ging nicht mehr weiter, eine ganze Generation von Männern konnte nicht das Leben leben, das sie leben wollten. Sie blieben immer Sohn, mussten immer gehorchen und dienen, wurden selbst alt darüber. Und dann kam der Tag, an dem ein Sohn seinen Vater erschlug.«
Kersteds Blick wechselte von der Unda zu dem alten, aufrecht sitzenden Krieger. Dern sah ihm offen ins Gesicht. Er war dieser Sohn gewesen. Nach längerem Schweigen begann er wieder zu sprechen, kehlig, aber leiser als zuvor, und Utate folgte Derns Worten.
»Ich blieb nicht der einzige Sohn, der aufbegehrte. Aber ich wollte nicht schuld sein an Unruhen, gar einem Massenmord. Außerdem konnte meine Tat nicht ungesühnt bleiben, war meine Stellung auch noch so hoch. Also räumte ich meinen Platz – ich verließ Jirdh, überließ meinem Vetter Hardh den Thron und ging nach Nord-Kwothien. Viele folgten mir. Schließlich musste ich einsehen: Auch wenn ich es nicht gewollt hatte, war ichzum Führer derer geworden, die sich widersetzten. Zum Führer der Freien Söhne, die nicht mehr mit ansehen wollten, wie die Grausamkeit im Land zunahm. Denn die Dhurmmets gebärdeten sich immer wilder. Wie tollwütige Tiere streiften sie umher auf der Suche nach etwas, in das sie sich verbeißen konnten. In mir haben sie endlich ihren Feind gefunden, ein Ziel für einen Hass, der sich aus derselben Quelle speist wie ihre unheimliche Lebenskraft. Das sind keine Menschen mehr, das sind Dämonen. Ich weiß es, ich habe es gesehen. Ich habe das Feuer in den Augen meines Vaters gesehen und ich weiß: Dieses Feuer wurde vor über hundert Soldern entzündet, in der Feuerschlacht und
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