Zwölf Wasser
er hätte ihm etwas anderes als widerlich beigebracht – Schnee vielleicht oder Schwert . Nun war es zu spät. Sie hatten sich zwar Schritt fürSchritt vom Bösen entfernt, aber das ist zu langsam, wenn das Böse einem hinterherhetzt. Es hatte sie eingeholt.
Drugh lag im Gras, zerschlagen. Ein Axthieb hatte ihm den Kopf von den Schultern geholt und ein Stiefeltritt hatte den Kopf vor die Füße seiner Kameraden befördert. Drughs goldene Augen hatten ihren Glanz verloren. Stumpf und tot und leer starrten sie aus dem in einem seltsam wehmütigen Ausdruck eingefrorenen Gesicht. Drugh würde den Weg ins Land seiner Väter nicht finden. Seine Seele würde kopflos umherirren, für immer. Vielleicht würde er, wenn er die Hände ausstreckte, irgendwann die Hände eines anderen Kopflosen ertasten. Oder mit der Schulter an die Schulter eines Kameraden stoßen. Und sie könnten sich stützen in der Ewigkeit, die sie blind, taub und stumm durchwandern mussten.
Der Nächste aus der Reihe der Nord-Kwother trat vor.
Er kniete nicht vor dem Dhurmmet, er rang darum, seinem letzten Rest Leben Sinn und Würde zu geben. Ein Tritt in die Kniekehlen zwang ihn zu Boden und ein Axthieb durchtrennte auch seinen Hals.
In den Mundwinkeln des mordenden Dhurmmets schäumte Speichel, die Augen unter der angenähten Münze waren blutunterlaufen und die dunkle Haut glänzte von Schweiß. Wie Wölfe waren sie der Fährte der Retter gefolgt, hatten nicht geruht, bis sie sie eingeholt hatten. Zwanzig der dämonischen Kreaturen hatten Marken, Smirn und die fünf alten Soldaten schließlich umstellt. Jede Gegenwehr war zwecklos. Marken hatte es dennoch versucht. Vier Dhurmmets waren nötig gewesen, um ihn zu überwältigen. Jetzt lag er, gefesselt und mit einer Stiefelsohle im schmerzenden, wunden Gesicht, am Boden und sah den fünften Kopf durchs Gras rollen.
Die Dhurmmets hatten sich nicht mehr die Mühe gemacht,sie zu foltern und ein Mahnmal aus Gepfählten zu errichten. Wie Tiere hatten sie die alten Männer einfach abgeschlachtet. Und Marken hatte von sich geglaubt, er sei ein Unmensch gewesen? Nie hatte er sich gründlicher geirrt.
Alle Nord-Kwother waren tot. Nun nahm der Dhurmmet den Stiefel aus Markens Gesicht, trat ihm in die Seite, sodass er auf dem Bauch zu liegen kam. Marken roch das Gras und wie ein grausiges Versprechen roch er auch das Blut. Er war an der Reihe, erwartete den Hieb der Axt in seinem Nacken. Der Axt aus Welsenstahl.
Sie hatten die Quelle der Liebe nicht erreicht.
Ohne Liebe hatte die Welt der Menschen keinen Bestand.
Und die andere?, schoss es Marken durch den Kopf. Kann es eine andere Welt geben, wenn es diese hier nicht mehr gibt?
In den Verlorenen,
Weld im Solder 107 tergde
Gelehrter Freund –
ich schreibe Euch in dem Wissen, dass ich diesen Brief vorerst nicht werde versenden können. Ich will die Zeit aber nutzen – sollte ich endlich wohlbehalten in Gaspen angelangt sein, kann ich diesen und folgende Briefe gebündelt losschicken. Es ist nicht absehbar, wie lange wir durch diese Inseln hier irren werden, aber ich muss sogleich aufschreiben, was mir widerfahren ist. Denn es besorgt mich sehr.
Ich sage es ausdrücklich und es ist mir nun auch gleich, dass Ihr Euren Namen nicht genannt haben wollt, denn es muss einmal aufgeschrieben und festgehalten werden:
Wigo von Pram hat recht.
Wigo von Pram ist der weitsichtigste Gelehrte dieses Zeitalters, und das, obwohl er weder Segure noch reich an Soldern ist.
Warum? Weil Ihr, aufrichtig bewunderter Freund, als Erster dargelegt habt, dass Asing zurückkehren und unsere Welt erschüttern wird. Sie ist die Glut des Bösen, das habt Ihr gesagt. Ja, Ihr habt es als bloße Theorie dargestellt, und ja, Ihr habt Euch sehr bedeckt gehalten. Aber nun: Ganz dumm bin auch ich nicht! Auch ich habe meine Schlüsse gezogen, und einmal von Euch auf die Spur gesetzt, ist mir vieles aufgefallen.
Ich habe selbst erfahren müssen, dass Agen verschlossen ist. Das hat es noch nie gegeben. Wir Seguren hatten zwar seit jeher unsere Probleme mit Dämonen – aber nun findet etwas Großes statt, etwas ungeheuer Großes. Ihr hattet mir geschrieben, eine Astronomin der Hama kündige die Wiederkehr des Schweifsterns an und das sei möglicherweise ein Zeichen. Davon spricht hier niemand. Die Leute erzählen ganz andere Dinge: Es gibt Berichte von Wolfsangriffen; das ist für diese Gegend äußerst ungewöhnlich. Die Bestien sollen zudem pechschwarz, besonders groß,
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