Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
Vom Netzwerk:
störte sich nicht daran, im Gegenteil: Es gefiel ihr, wie gekränkt Estrid war.
    »Ich werde Euch Eure Unschuld schon noch abgewöhnen, Estrid von den Randbergen. Anders könnt Ihr in Pram nicht bestehen. Aber seid beruhigt, ich hatte schon alles geplant, bevor ich Euch sah. Ihr seid nur die zweite Wahl.« Estrid wusste nicht, ob sie das weiter mit anhören wollte. »Eine zweite Wahl, die sich als echter Glücksgriff erweist«, fuhr Belendra mit dunkler Zufriedenheit fort. »Samirna fühlte sich schon so sicher, dass sie glaubte, keine Verbündeten mehr nötig zu haben. Sie hat meine Offerte abgelehnt und so kämpfen wir nun jeder für sich und gegeneinander um die Gunst des Fürsten   – Kandor, Samirna und ich. Und dazu viele andere, die aber chancenlos sind. Auch mich hatten alle längst abgeschrieben. Dann habe ich Euch gefunden, Estrid. Und anders als Samirna seid Ihr kaum in der Position, mein Angebot abzulehnen, nicht wahr? Estrid,mit Eurer Hilfe kann ich Mendron dem Einfluss Kandors entziehen. Und auch dem dieses Flittchens, dieser Schauspielerin, die so furchtbar von sich überzeugt ist. Ich will den Fürsten retten. Das ist wahrlich keine böse Absicht.«
    Estrid ging ein paar Schritte und ließ sich auf einer steinernen Gartenbank nieder. Es wurde allmählich dunkel, aber es war immer noch warm. Die Luft roch nach Rauch. Ihr Blick fiel auf den großen gelben Vogel, der auf seiner Stange hin und her wanderte und sie beäugte. Bald würde er, wie jede Nacht, mit dem Rufen beginnen. Meine Wache , dachte Estrid. Ihre Gedanken sprangen weiter, zu Felt. Es war alles einfacher gewesen, früher   – war es auch besser gewesen? Ja, denn sie waren zusammen gewesen. Aber hier, heute, lagen die Kinder satt und zufrieden in ihren Betten und schliefen. Das war Belendras Angebot: gesunde Kinder. Kinder, denen es an nichts mangelte, die Lesen und Schreiben lernten und noch viel mehr als das. Belendras Angebot war ein ganzes Leben , und das konnte Estrid nicht ablehnen.
    »Ich bin keine Hure«, sagte sie.
    »Wer Ihr seid und was Ihr sein wollt, bleibt Euch überlassen. Ich habe Euch in Stellung gebracht, das ist wahr, aber nun ist es an Euch. Ihr könnt viel erreichen   – für mich, für Euch selbst und Euer Volk. Estrid, ich musste Euch diesem vergnügungssüchtigen, verwöhnten Pack ins Gedächtnis einbrennen! Etwas so Schönes, etwas so Aufsässiges   – nur das konnte sie alle aufrütteln. Und nun? Nun spricht die ganze Stadt von Euch! Ihr seid echt , Estrid, und Ihr habt ein echtes Anliegen. So etwas ist dem Fürst schon lange nicht mehr begegnet.«
    Sie setzte sich neben Estrid.
    »Was habt Ihr noch geplant, Belendra? Wie wird das alles ausgehen?«
    Belendra antwortete nicht, sondern sah in den Abendhimmel, an dem die Sterne hinter dem Rauchschleier nur noch ein glanzloses Flackern waren.
12
    Er kam noch in jener Nacht. Kurz nach ihrer Aussprache hatte Belendra Estrid ins Haus geschickt, damit sie sich zurechtmachte, und kaum war sie fertig, da stand der Fürst schon im Garten.
    Er war zurückhaltender und gleichzeitig nahbarer als bei Hof, wo das Fürstliche wie ein großer Schild vor ihm stand. In Belendras Garten, im grünlichen Licht der Käfer, wirkte Mendron angreifbarer. Er ist auch nur ein Mensch , dachte Estrid und bemerkte, dass er wieder das Wams falsch geknöpft hatte. Half ihm denn niemand beim Ankleiden? Seine Hosen waren nachlässig in die Stiefel gestopft, eine Manschette offen   – Felt wäre so nicht einmal aus dem Haus gegangen, geschweige denn zu einer Frau. Estrid hielt unwillkürlich den Atem an bei diesem Gedanken. Zwei, drei Herzschläge lang. Dann ließ sie die Luft wieder zwischen den Lippen herausströmen. Obwohl sie nun getrennt waren, konnte sie sich nicht vorstellen, dass Felt eine andere Frau auch nur ansehen würde. Sie glaubte immer noch an seine Treue; ein untreuer Felt, das gab es einfach nicht. Und was tat sie? Was um alles in der Welt tat sie denn hier?
    Estrid wusste es selbst nicht genau. Sie sah Mendron nicht an, sagte kaum ein Wort. Er hingegen schaute sie oft an, das spürte sie, vor allem in den Pausen zwischen seinen Sätzen ruhten seine Augen auf ihr. Natürlich machte Mendron Konversation, das hätte er sicher auf dem Totenbett noch gekonnt, aber besonders geistreich war er dabei nicht. Sie waren beide verkrampft und ihr Gespräch kam über Gemeinplätze und Floskeln nicht hinaus. Er verabschiedete sich schließlich seltsam abrupt, so kames Estrid vor, aber

Weitere Kostenlose Bücher