Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
Vom Netzwerk:
krachte die große Schere vor Felts Füßen auf den Steinboden. Das Biest roch zwar schlechter als seine kleinen Verwandten, aber es war genauso flink. Felt wich der blind umherschnappenden Schere aus, deren kleinerer, beweglicher Teil immer noch dicker als Felts Oberschenkel war und zudem mit scharfen Hornzähnen besetzt. Wenn er dort hineingeriet, würde er seine Gliedmaßen verlieren.
    Felt schlug zu. Er achtete nicht darauf, das empfindlichere Gelenk zu treffen. Er hieb einfach mit all der Wucht, die er aufbringen konnte, auf die große Krebsschere. Und als könne Anda Felts Schwäche ausgleichen, trennte das Schwert mit einem sauberen Schnitt den beweglichen Scherenfinger ab. Sofort wurde die Schere zurückgezogen. Vor dem Eingang lösten die heftigen Bewegungen des verletzten Tiers einige Steine, Felt hörte das Poltern. Er sah auf das abgetrennte Teil, aus dem kein Blut, sondern eine wässrige Flüssigkeit lief. Der Hieb war präzise und kraftvoll gewesen. Ein Glückstreffer. Aber ihm blieb keine Zeit, sich zu wundern, denn nun versuchte die zweite Schere, Felt zu erwischen. Sie war etwas kleiner als die erste.
    »Bist wohl auch Rechtshänder, was?«
    Wieder schlug er zu und wieder traf er genau das Gelenk. Der Gegner war entwaffnet. Und lärmte vor dem Eingang. Die wuchtigen, verstümmelten Scheren schlugen immer wieder auf Stein. Felt hörte Schleifgeräusche   – wahrscheinlich der Schwanz   – und das Trommeln der vielen Beinpaare. Der Krebs konnte nicht schreien oder seinem Leiden sonst irgendwie Ausdruck geben, er konnte sich nur winden und versuchen, dem Schmerz auszuweichen, so sinnlos das auch war. So etwas hatte Felt schon immer seltsam angerührt und er hatte nie wie die anderen Jungen einen Spaß daran gehabt, einer kleinen Schimmerechse den Schwanz abzuschneiden oder Asseln in die Glut zu werfen. Die Asseln, in Goradt manchmal daumendick, krümmten sich in der Hitze zu einem Ring zusammen, es stank wie angesengtes Haar und schließlich platzten sie mit einem satten Schnalzen auf. Es hatte in Felts Jugend so manchen Firsten gegeben, in dem er kaum etwas anderes gegessen hatte als diese geplatzten Asseln.
    Felt trat gegen einen der abgetrennten Scherenfinger und wandte sich ab.
    »Achtung!«, rief Babu und Reva riss den Arm und ihr Licht hoch. Felt fuhr herum, das Schwert erhoben.
    Indem die enorme Schere auf Felt niederkrachte, schlug sie sich selbst ab. Felts Blut rauschte durch seinen Körper, er hieltauch mit der zweiten Hand den Schwertgriff umfasst, selbst wenn das kaum Sinn hatte. Aber: Er war erstaunlich reaktionsschnell; er wusste immer noch, wie man ein Schwert führte. Vor dem Spalt brach ein regelrechter Tumult aus und Felt sah und begriff mehrere Dinge gleichzeitig. Die zuletzt abgeschlagene Schere war komplett, aber kein Krebs hatte drei davon. Im Gewirr von Gliedmaßen, Fühlern, gepanzerten Schwänzen starrten mehrere schwarze Augenpaare in die Kluft. Es gab noch mehr dieser pferdegroßen Ungeheuer. Jedes wollte hinein, auch wenn es bisher keinem gelang und sie sich gegenseitig bekämpften. Aber dass sie das Gedränge dauerhaft davon abhalten würde, in diesen Spalt zu gelangen, darauf wollte Felt nicht wetten. So oder so war dieser Ausgang versperrt, der Weg zurück unmöglich geworden.
    »Die lassen sich nicht vertreiben. Das werden immer mehr«, sagte Babu. Er flüsterte nicht mehr und in seiner Stimme lag nicht die Spur von Angst, eher so etwas wie Verwunderung. Er rieb sich die Stirn.
    »Ein paar anständige Pfeile mit welsischen Stahlspitzen und du könntest sie von hier aus bequem erledigen«, sagte Felt mit Blick auf die streitenden Krebse und drehte sich dann in die entgegengesetzte Richtung. »So aber schlage ich vor, wir gehen einer weiteren Konfrontation aus dem Weg. Ich kann es nicht allein mit all diesen Kreaturen aufnehmen.«
    »Bisher ist dir das ganz gut gelungen«, sagte Babu.
    Felt antwortete nicht, sondern bat Reva mit einer Geste, ihm den Vortritt zu lassen.
    »Es gibt viele Wege durch die Ubid Engat, nicht wahr? Und dieser ist ebenso gut wie der andere, oder?« Er blickte in die Schwärze, die zwanzig Schritte voraus begann.
    »Ja«, sagte Reva hinter ihm. Ihre Kühle beruhigte ihn und sein Herzschlag, im kurzen Kampf heftig beschleunigt, wurde wieder langsamer. Felt ging los, rasch, ließ das Lärmen der Krebsungeheuer hinter sich. Anda behielt er in der Faust. Ein gutes Gefühl.
14
    Nach ungefähr einer Wegstunde öffnete sich der Gang erst zu einer mit

Weitere Kostenlose Bücher