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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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bedeutet, ist bedrohlich, ist etwas Schlimmes. Er weiß, dass er in einer Verbindung zu diesem Hasenschädel steht   – doch worin die Verbindung besteht, weiß er nicht. Da steigt eine Ahnung inihm auf. Er sieht an sich hinunter. Er hält den Dolch. Von der schwarzen Klinge tropft Blut. Er wendet sich um. Dort, wo er gegangen sein muss, ist das Gras niedergedrückt, er erkennt seine Spur. Auch dort sieht er Blut. Er denkt: Die Blutspur verrät mich. Im selben Augenblick weiß er, dass etwas Witterung von dem Blut genommen hat, und die Worte der Szasla klingen ihm im Ohr: Der Hirte wird die Spur finden, der Jäger der Beute folgen bis zum Ende, wo der Kreis sich schließt.
    Er rennt los.
    Es folgt ihm.
11
    »Babu, komm her und hilf mir! Beeil dich, das sind die größten Krebse, die ich bisher gesehen habe   – das gibt ein anständiges Frühstück! Babu!«
    Babu versuchte, die Müdigkeit abzustreifen und zu vergessen, was er im Schlaf erlebt hatte und wofür das Wort Traum nicht ausreichte. Wie ein alter, gebrechlicher Mann schleppte er sich von seinem Lager hinunter zum Wasser. Die Höhle war riesengroß, was Babu einerseits etwas erleichterte, andererseits aber bedrückte: Die ungeheure Masse an Stein war belastend. An der Weite einer Landschaft wie dem Langen Tal konnte ein Mensch wachsen, der Blick konnte schweifen, man konnte tief einatmen. Hier, in dieser Höhle, deren wahre Ausmaße nur zu ahnen waren, weil sich Wände, Spalten und abzweigende Gänge in Dunkel hüllten, schrumpfte ein Mensch zusammen. Wieder hatte Babu das Gefühl, dass hier eine andere, eine ältere Zeit herrschte. War das möglich? Konnte in dieser Gegend des Kontinents die Alte Zeit überdauert haben wie eine besonders zähe, lästige Tierart, die sich nicht ausrotten ließ? Wie die Wühlhasenim Langen Tal, dachte Babu, stolperte über einen Stein und vergaß den Gedanken.
    Das hohe Gewölbe der Höhle war an manchen Stellen eingebrochen, von dort fiel Licht hinab, und wo es auf den zerklüfteten Boden traf, wuchsen Pflanzen. Wenn Babu jedoch aufschaute, war er so geblendet, dass er den Himmel nicht erkennen konnte. Juhut war irgendwo dort oben, das wusste er sicher. Der Falke hatte ihn nicht verlassen, ihre Verbindung hatte Bestand, und das half. Juhut war wie ein Anker in einer verdrehten Welt, in der Babu sich an der Luft festhielt, um unter der Erde nicht zu ersticken.
    Reva stand bei Felt und hielt ihr weißes Licht, war aber nicht bei der Sache   – ihre Augen schauten in eine Ferne, die im Finstern lag. Sie hatte die Ubid Engat die Lande des Wassers genannt und Babu hatte geglaubt, sie würde hier munter und von Kraft durchströmt sein. Aber Reva war still und abwesend. Als wäre sie nach langer Zeit zurückgekehrt nach Hause und müsste ihre Erinnerungen erst mit dem neuen Eindruck vergleichen, bevor sie sich freuen konnte.
    »Babu! Nun komm schon!«
    Er tat das Gegenteil: Als Babu den Krebs sah, blieb er staunend stehen. Das Tier war so lang wie sein Unterarm und die Scheren, größer als Babus Hände und wesentlich bedrohlicher, schnappten aus dem flachen Wasser heraus nach Felt. Der Fluss mäanderte vielarmig und breit aufgefächert am Grund der Höhle und sein steinernes Bett war mit Algen und Moos bewachsen, sodass das Wasser fast lautlos darüberlief. Es war rutschig und Felt hatte Mühe, dem Krebs zu folgen, ohne auszugleiten.
    »Tritt nach ihm«, rief Babu und war mit ein paar Sätzen im Wasser. Sein knurrender Magen hatte die Trägheit verscheucht. Der Krebs machte eine Rolle rückwärts, um den schweren Stiefeln des Welsen auszuweichen, und sprang so direkt in BabusArme. Der packte fest zu, schleuderte den Krebs dann gegen einen Stein. Es knackte, einer der langen, empfindlichen Fühler brach ab, aber tot war er nicht. Babu zog den Dolch, die Scheren flößten ihm Respekt ein, er zögerte. Ein hoher Ton gefolgt von einem gemeinen Knirschen beendete die Szene: Felt hatte sein Schwert gezogen, und auch wenn es mit links geführt wurde, war ein solches Krustentier kein würdiger Gegner für Anda.
    Drei weitere, ebenso große Exemplare fingen sie noch, dann beendeten sie die Jagd. Sie hatten nicht mehr genug Holz für ein Feuer und roh verdarb das Fleisch zu schnell. Auf Vorrat zu fangen hatte also keinen Sinn und außerdem vertrauten sie inzwischen darauf, immer wieder frische Krebse erwischen zu können   – wenn auch vielleicht nicht so prachtvolle wie in dieser Höhle.
    Sie aßen schweigend, Babu hing immer noch

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