Zwölf Wasser
sagte sie: »Vielleicht später, vielleicht, wenn wir diese Höhlen verlassen haben und unsere Sinne alle wieder –«
Sie brach ab. Felt schaute erst zu Babu, dann auf das, worauf der Merzer mit schreckensweiten Augen starrte.
Aus dem Dunkel, ungefähr zwanzig Schritte voraus, schälten sich die Umrisse eines Krebses. Eines Krebses, der noch viel prachtvoller war als die, die sie am Morgen gefangen hatten: Er war groß wie ein Pferd.
»Ich kann nicht kämpfen«, sagte Felt mit leiser Stimme. »Nicht mit links. Gegen das da.«
»Ich auch nicht.« Babu flüsterte ebenfalls. »Selbst wenn ich Pfeil und Bogen hätte – gegen einen solchen Panzer käme ich nicht an.«
»Wir sind ein großartiges Gespann«, spottete Felt, immer noch mit unterdrückter Stimme. »Ein Bogenschütze ohne Bogen und ein Schwertkämpfer ohne Schwerthand.«
Die langen Fühler des Riesenkrebses tasteten wie dürre Finger durch die Luft. Felt konnte auf diese Entfernung sogar die schwarz glänzenden Stielaugen erkennen. Und auch der Krebs hatte sie wahrgenommen. Er hob die ungeheuren Scheren, jede größer als die Unda und ganz sicher um ein Vielfaches schwerer, und machte einige schnelle Schritte auf sie zu. Es hörte sich an, als würde eine ganze Gruppe Männer durchs flache Wasser laufen.
»Rückzug«, sagte Felt tonlos. »Aber langsam. Hundert Schritte zurück ist ein Durchgang. Rechter Hand bei einem turmartigen Felsen.«
»Habe ich gesehen.«
Sorgfältig die Füße auf die glitschigen Steinen setzend, zogen sie sich zurück.
Sie hatten den runden Felsturm fast erreicht, als sie den Krebs wieder durchs Wasser laufen hörten.
»Reva, es ist unwürdig«, sagte Felt und warf auch Babu einen Seitenblick zu. »Aber ich fürchte, es muss sein.«
»Schon gut«, sagte sie. »Wann? Jetzt?«
»Ich bitte darum.«
Sie rannten los.
Das Ungeheuer folgte ihnen.
13
Bitte lass den Spalt groß genug sein. Aber bitte lass ihn nicht zu groß sein!
Felt wusste nicht, an wen er diese Bitten richtete, und wenn es der Stein selbst war – Hauptsache, er wurde erhört. Diesmal ließ er die Hohe Frau voraus in den Durchgang schlüpfen. Sie wurde nur kurz vom Dunkel verschluckt, dann entzündete sie ihr weißes Licht. Soweit Felt sehen konnte, war der Gang drei bis vier Schulterbreit – in seiner Schulterbreite, nicht der der Unda.
»Weiter«, sagte er hastig.
Würde der Krebs mit seinen massiven Scheren ihnen hier hinein folgen können? Und wie konnte es überhaupt ein derart großes Viech geben?
»Wie lange kann so ein Krebs über Wasser sein?«, fragte er im Laufschritt über seine Schulter.
»Keine Ahnung«, antwortete Babu hinter ihm. »Aber manche brauchen gar keins. Glaube ich.«
Ein lauter Knall ließ sie alle herumfahren. Reva hob die Hand. Im kalten Schein wich der Krebs am Eingang zur schmalen Schlucht zurück, dann aber kam er wieder vor und eine der Scheren langte hinein, schlug gegen die Felswand. Steine lösten sich, prasselten herab. Sein Körper würde in diese Kluft hineinpassen. Allein dass er seine großen Scheren quer vor sich hertrug wie ein vor Kraft strotzender Ringer seine Fäuste, hinderte den Riesenkrebs daran, den Flüchtenden zu folgen. Noch.
»Besonders klug ist er nicht«, sagte Felt. »Aber vielleicht kommt er doch irgendwann drauf, wie er uns kriegt.«
Er zog sein Schwert. Auch wenn es die falsche Hand war – das Gefühl, das Anda ihm gab, war das richtige. Bald wäre Felt wieder bei Kräften, bald könnte er seiner Linken all das beibringen, worin die Rechte meisterlich gewesen war.
»Hier drin, in dieser Kluft, stehen die Chancen besser für mich – ich habe zwar nur eine Hand, aber das Biest klopft auch nur mit einer Faust gegen den Stein. Ich gebe ihm was auf die Finger, vielleicht vertreibt ihn das.«
Felt ging an Babu vorbei auf den Eingang zu, hinter dem die schwarzen Stielaugen ihn ausdruckslos anstarrten. Bis jetzt hatte Felt sich die Krebse nicht genau besehen, sie waren willkommene Nahrung, mehr nicht. Aber nun war die Beute zum Jäger geworden – und der war wirklich abscheulich. Zwischen den langen Fühlern zitterte ein kürzeres Paar und zwei zu Fresshilfen verkümmerte Beinchen waren in der Nähe des Mauls in ständiger, nestelnder Bewegung. Der graugrüne Panzer war übersät mit pickligen Auswüchsen. Als Felt sich dem Untier näherte, nahm er einen modrigen Geruch wahr, den er bei den kleineren Krebsen nicht bemerkt hatte. Die schwarzen Augen verschwanden kurz, dann
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