Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Ich glaubte, alles, was Broud mir antat, sei nur mir bestimmt. Ich glaubte, wenn ich es schaffen könnte, die Drangsal zu ertragen, dann würde mein Totem mir erlauben, eine Waffe zu haben und zu jagen."
Neugierige Blicke flogen zu dem jungen Jäger. Glaubte das Mädchen wirklich, sein Totem hätte sich Broud zum Werkzeug erkoren, um sie zu prüfen? Brouds Miene zeigte Unbehagen.
Aylas Hände beteuerten hastig: "Als der Luchs mich angriff, glaubte ich zuerst, das wäre auch eine Prüfung, und beinahe hätte ich aufgehört zu jagen. Ich hatte Angst. Doch dann kam mir, es mit zwei Steinen zu versuchen, um nicht wehrlos zu sein, wenn mein erster Schuß fehlte. Und von da an glaubte ich noch fester, dass mein Totem wollte, dass ich jagte."
"Gut, du hast mir angedeutet, wie du es begreifst", schnitt ihr der Zauberer die redeflinken Handbewegungen ab und wandte sich an den Clan-Führer: "Ich brauche Zeit, Brun. Und will darüber mit mir selbst zu Rate gehen."
"Wir alle wollen dasselbe tun. Wenn die Nacht um ist, kommen wir hier wieder zusammen", verkündete der ClanFührer mit entschiedenen Gesten. "Ohne das Mädchen." Und erhob sich.
"Was gibt es da noch länger zu beraten?" versuchte Broud die anderen mit heftigen Händen zurückzuhalten. "Wir wissen alle, welche Strafe sie zu bekommen hat."
Verärgert wandte Brun sich um und meinte: "Sie zu bestrafen, kann den ganzen Clan in große Gefahr stürzen, Broud. Ich muß mit mir selbst im reinen sein, dass es so richtig ist, wie es ist, und sicher sein, dass wir nichts übersehen haben, ehe ich sie verdamme. Wir kommen bei Sonnenaufgang hier wieder her."
Erregt die Hände schwingend, machten sich die Männer auf den Rückweg zur Höhle.
"Noch nie habe ich von einer Frau erfahren, die das Verlangen hatte zu jagen", schüttelte Droog seinen Kopf und ließ die Hände reden. "Kann es sein, dass ihr Totem sie dazu treibt? Es ist doch ein Männer-Totem."
"Kann es sein, dass in ihr etwas von einem Manne ist?" fragte Crugs Hand bedächtig.
"Dann wäre mir klar, warum sie so aus der Art der Frauen schlägt", bedeutete Dorv.
"Sie ist eine Frau", beharrte Broud und hieb mit der Faust durch die Luft. "Sie muß sterben, das weiß doch jeder." "Recht hast du, Broud", stimmte Crug ihm zu. "Und selbst wenn etwas von einem Mann in ihr wäre, so bleibt sie doch eine Frau. Und die darf nicht jagen." Dorvs Miene war finster. "Es kann nicht gut gewesen sein, dass sie bei uns aufgenommen worden ist. Sie ist von anderer Art."
"Ich sehe es wie du, Dorv", erklärte Broud und zeigte auf den Jäger. "Was bewegt Brun, noch zu zögern? Wäre ich ClanFührer, so würde sie sofort die Strafe zu erdulden haben."
Grod schüttelte den Kopf.
"Ein solcher Entscheid läßt sich nicht mit leichtem Herzen treffen, Broud", bedeutete ihm dieser. "Warum hast du es so eilie? Ein Tag mehr wiegt nicht schwer."
Broud zog den Kopf ins Genick und beschleunigte seinen Schritt. Immerzu muß der Alte mir gute Ratschläge geben, dachte er wütend. Immer stellt er sich auf Bruns Seite. Wie kommt es, dass Brun zögert, sich zu entscheiden? Ich bin fertig mit diesem Mädchen. Was nützt schon all das Hin und Her? Brun wird schon alt, vielleicht zu alt, um weiterhin den Clan zu führen.
Stumm stolperte Ayla den Männern hinterher. Sie lief in die Höhle zu Crebs Feuerstätte und hockte sich auf ihren Schlafpelz, den Blick starr geradeaus gerichtet. Iza wollte sie bewegen, etwas zu essen; doch das Mädchen wehrte ab. Die kleine Uba hatte keine Ahnung, was vorging, doch sie spürte, dass ein Kummer Ayla bedrückte und kroch ihr auf den Schoß und ließ sich sachte wiegen. Ganz ruhig blieb sie in Aylas Arme gekuschelt und schlief nach einer Weile ein. Iza nahm ihr das Kind ab, legte es in die Schlafmulde und deckte es zu. Dann streckte sie sich neben ihm aus. Lange blieb sie wach. Ihr war, als müßte ihr Herz bersten vor Kummer um das Mädchen, das sie ihre Tochter nannte und das stumm und starr am Feuer saß und unverwandt in die Glut der langsam ersterbenden Flammen blickte.
Klar und kalt kam der Morgen. Am Rand des Baches glitzerte das erste Eis, und über den kleinen Teich, nicht weit vom Eingang der Höhle, war eine durchsichtigdünne Eishaut gezogen. Die Zeit war nicht mehr fern, wo Schneefälle und Kältnis den Clan wieder in die Höhle treiben würden.
Iza wusste nicht, ob Ayla überhaupt geschlafen hatte, die noch immer auf ihrem Fell hockte, als die Frau erwachte. Das Mädchen schien sich in einer fremden Ferne zu
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